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Saturday, 23. November 2024
   
Siegfried Hellwig

 
Heimreise der Nordwind vom Gr. Bittersee nach HH - 15/06/2021 17:36 BERICHT ÜBER DIE HEIMREISE DER SCHIFFE „ MÜNSTERLAND“ UND „ NORDWIND“ VOM GROSSEN BITTERSEE NACH HAMBURG IM MAI DES JAHRES 1975.

Zur Erinnerung an Peter Leder, Kapitän des Motorschiffs Nordwind, der am 21 Dezember 2020 verstorben ist, möchte ich seine Dokumentation über die Heimfahrt der beiden Hamburger Schiffe MS Münsterland und MS Nordwind aus dem Suezkanal nach Hamburg veröffentlichen.


Im Namen der Nordwindfahrer
Siegfried Hellwig


Über das Leben der Seeleute auf den Schiffen im Großen Bittersee während ihres achtjährigen Zwangsaufenthaltes, ist schon in vielen Berichten ausführlich gesprochen worden. Dieser Beitrag könnte sich jetzt ganz auf die Ereignisse der Heimreise konzentrieren. Aber die Berichterstattung wäre wohl nicht vollständig, sagte man nicht auch einige Sätze über die Vorarbeiten, die Vorbereitungen und Überlegungen, die es ermöglichten, dass diese beiden Schiffe als erste den Suezkanal verlassen, als einzige mit eigener Kraft die Heimreise antreten und nach 3016 bzw. 3014 Tagen im Mai 1975 ihren Abgangs- und Heimathafen wieder erreichen konnten.
Zu Beginn des Jahres 1974 begann sich die politische Lage im Nahen Osten etwas zu entspannen. Damit rückte die Wiedereröffnung des Suezkanals in den Bereich des Möglichen. In den Kontoren der Hapag-Lloyd AG. Und der Nordsternreederei machte man sich wieder Gedanken über die Rückführung der seit Juni 1967 im Großen Bittersee liegenden Schiffe „Münsterland“ und „ Nordwind“.
Im Mai des Jahres 1974 schickten beide Reedereien gemeinsam eine Gruppe von Fachleuten nach Ägypten, die den Zustand der Schiffe nach zweijähriger Betreuung durch eine norwegische Firma begutachten sollte. Da die politische Entwicklung weiterhin günstig verlief, schickte man im September wieder eigene Besatzungen an Bord, welche beide Schiffe bis zum Ende des Jahres fahrbereit machen sollten. Im Dezember wurden die Besatzungen noch einmal verstärkt, so dass man jetzt in der Lage war, jederzeit die Schiffsgruppen aufzulösen und vorhandene Teilbesatzungen innerhalb zweier Tage auf die für die Heimreise benötigte Anzahl aufzufüllen. Denn den See aus eigener Kraft zu verlassen, war nach wie vor das erklärte Ziel beider Reedereien.
Dazu waren auch in Deutschland umfangreiche organisatorische Maßnahmen erforderlich. Während der Monate Dezember und Januar wurde bei der Hapag-Lloyd AG., die in Abstimmung mit der Nordstern-Reederei die Regie über die Heimführung übernommen hatte und für beide Schiffe das gesamte Personal stellte, eine erhebliche Anzahl von Mitarbeitern kurzfristig für den Flug nach Ägypten bereitgehalten.
Im Januar 1975 wurde das Personal im Bittersee auf insgesamt 32 Mann für beide Schiffe erweitert, so dass jetzt jedes der Schiffe ohne Verzögerung nach Port Said hätte fahren können. Die Reedereien ließen sich zu diesem Zeitpunkt von dem Gedanken leiten, dass das Verlassen des Sees der erste und wichtigste Schritt für die Heimführung der Schiffe sei. Durch die Fahrt durch den Kanal und das notwendige Bunkern in Port Said hätte dann genügend Zeit für das Einfliegen der Restbesatzungen bestanden.

Jedoch im Verlaufe des Monats Februar 1975 sanken die Hoffnungen aller Beteiligten wieder auf den Nullpunkt. Als es einer deutschen Industriellendelegat ion unter anderem im unmittelbaren Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten Nasser nicht gelang, eine Änderung der Lage für die Schiffe herbeizuführen, entschlossen sich die Reedereien wieder zu einer Reduzierung des Personals auf zwölf Mann für beide Schiffe. Die Eigner der „Marit“ ex „Nippon“ und der „Killara,“ die mit „Nordwind“ und „ Münsterland“ in einer Gruppe lagen und mit denen ständig guter Kontakt gehalten worden war, schlossen sich diesem Schritt an. Wie aussichtslos sich den Reedereien auch im März noch die Lage darstellte wird deutlich, wenn man das Schicksal der „Killara“ betrachtet.
Dieses bei der Einschließung noch fast neue Schiff, es befand sich auf seiner zweiten Heimreise von Australien, gehörte ursprünglich der Reederei Transatlantic in Göteborg. Sie wurde dann während der Blockade im Bittersee an die Reedereigruppe Salen in Stockholm verkauft. Und auch diese internationale Großreederei mit weltweiten Beziehungen und sicherlich ausgezeichneten Informationen entschloss sich noch im März zum Weiterverkauf der „ Killara“ an die griechische Hellenic Lines mit Sitz in New York. Die „Killara“ hatte auch unter der Flagge von Salen ihren alten Namen behalten, wurde dann aber bei der Übergabe an die griechische Firma in „Hellenic Seaman“ umbenannt.

Gleichfalls weiterverkauft worden war noch einmal die „Essayons“ ex „Sindh“, die im Frühjahr 1975 den Namen „Badr“ trug und saudiarabischen Eigentümern gehörte. Diese betrieben das Schiff in Ermangelung eigenen Personals mit ägyptischen Seeleuten. Es befand sich jedoch während der letzten Monate ein amerikanischer Repräsentant der Reeder an Bord. Was mit dem Schiff geschehen sollte, die Maschinenanlage befand sich in einem sehr schlechten Zustand, war bei Abfahrt der deutschen Schiffe aus dem See noch weitgehend ungeklärt.
Anfang April wurde noch einmal ein Austausch eines Teiles der Besatzungsmitglieder auf „Nordwind“ und „Münsterland“ vorgenommen. Man hatte sich in Deutschland noch einmal auf eine längere Wartezeit eingerichtet.
Jedoch Ende April kamen die Dinge sehr schnell in Fluss und die Reedereien erfuhren vertraulich aus Kairo, dass man mit der Ausfahrt der ersten Schiffe aus dem See für Anfang Mai rechnen könne. Da für diesen Fall von Seiten der Schiffe und der Reederei gut vorgeplant worden war, bereitete die Durchführung dieser letzten und entscheidenden Schritte keine allzu großen Schwierigkeiten.
Der Abflug der Ergänzungsbesatzunge n wurde nach ausführlichen Besprechungen und nach Kontaktaufnahme mit allen beteiligten Abteilungen, für den 2. Mai festgesetzt. Da der Flug mit einer firmeneigenen Maschine der Hapag-Lloyd AG. durchgeführt werden sollte, konnte die durch das Personal nicht voll ausgenutzte Tragfähigkeit des Flugzeuges für die im See unbedingt benötigten Ersatzteile und Proviant gebraucht werden.
Da für den Flughafen Hamburg ein Nachtflugverbot bestand, musste, um den richtigen Ankunftstermin in Kairo zu erreichen, der Flug von Köln aus durchgeführt werden.
Der Start erfolgte am 3. Mai 1975 um 2 Uhr morgens vom Flughafen Köln-Bonn. Gegen acht Uhr wurde Kairo ohne Zwischenfälle erreicht. Die Abfertigung des Gepäcks der 43 Besatzungsmitglieder und der bereits erwähnten Reserveteile und des Proviants durch den ägyptischen Zoll klappte dank des großartigen Einsatzes der dortigen Agenturvertreter hervorragend. Gleichfalls die Beförderung mit Bussen und Lastwagen von Kairo über Ismailia zum Großen Bittersee.

Um diese Tatsachen richtig würdigen zu können, muss man bedenken, dass zu diesem Zeitpunkt in Ägypten noch ein teilweiser Kriegszustand herrschte. Man durfte sich nur auf vorher vom Ministerium genehmigten Straßen bewegen, die ständig vom Militär kontrolliert wurden. Alle Wagen wurden von einem Checkpoint zum anderen weitergereicht. Zivilpersonen und Zivilfahrzeuge durften sich nur während der Tagesstunden auf den Straßen außerhalb der Städte bewegen,
Gegen 15 Uhr wurde Fanara erreicht, ein ärmliches teilweise zerschossenes Dorf am Rande des Sees. Es hatte die einzige Landestelle, von der aus der Verkehr mit den Schiffen aufrechterhalten werden durfte. Trotz schlechter Nachrichtenwege und trotz versiegelter Funkstationen waren unsere Kollegen jedoch von der Ankunft der Restbesatzung unterrichtet. Kurz nach der Ankunft der Busse aus Kairo landeten auch die im See noch verbliebenen Rettungs- und Arbeitsboote, gesteuert von den bisher Eingeschlossenen, am Kai von Fanara. Da bis zum Eintritt der Dunkelheit die Aktion beendet sein musste, wurde sofort mit dem Umschlag der eingetroffenen Güter und dem Abtransport der neuen Besatzungsmitglieder begonnen.
Die Fahrt in den offenen Booten von der Pier bis zur Schiffsgruppe dauerte etwa eine Stunde. Die noch recht hoch am Himmel stehende Sonne brannte zu dieser Jahreszeit schon kräftig auf die Neuankömmlinge herab. Jedoch die trockene Luft über dem von Wüsten umgebenen Bittersee machte das Klima für alle erträglich. Auch an Bord waren Maßnahmen zur Übernahme der Kisten und des Gepäcks getroffen worden. Von den ankommenden Besatzungsmitglieder n waren etliche schon vorher einmal vor Ort gewesen, so dass auch die Unterbringung in den Kammern keine Schwierigkeiten bereitete.
Es war die letzte Nacht, in der die Seeleute noch etwas von der alten Bitterseeatmosphäre und –romantik erleben konnten. Die Sonne ging wie immer glühend rot hinter den Sanddünen des westlichen Seeufers unter. Dann spannte sich der klare, sternenreiche ägyptische Himmel über die Wüste, der schon beim Bau der Pyramiden vor fünftausend Jahren betrachtet werden konnte. Und auch in dieser Nacht hörte man noch einmal das dumpfe Dröhnen der Motoren einheimischer Fischerboote, die sich für ihren Fang im See einer recht eigenartigen Methode bedienten: Die Fischer legten in weitem Bogen ein etwa zwei Meter tiefes Netz aus, das, am oberen Rand von Kork getragen, gerade unter der Wasseroberfläche trieb. Von Fackeln im Boot angelockt, wurden die Fische dann erschreckt durch Fußstampfen und durch das Klopfen von Pfählen auf das holzgedeckte Vorderteil des Bootes und so ins Netz getrieben. Dieses rhythmische, bei gutem Wetter die ganze Nacht währende Dröhnen von vielen Booten auf dem See klingt zuerst sehr ungewohnt in den Ohren eines mit den örtlichen Bräuchen nicht vertrauten Mitteleuropäers. Während dieser Fangaktionen wurden die Bögen der Netze zu Ringen geschlossen und unter dem fortwährenden Lärmen eines Fischers durch den Kollegen am Ruder immer enger gezogen. Von einem bestimmten Punkt an wurden dann die Netze aufgeholt und die darin festsitzenden Fische einzeln ins Boot geworfen. War der Fang einer Nacht nicht ausreichend, schliefen die Fischer tagsüber in ihren Booten, da es sich für sie nicht lohnte erst wieder heimwärts zu rudern vor der nächsten nächtlichen Aktion. Selbst wenn Wind aufkam, suchten sie oft nur Schutz hinter den großen Schiffen und warteten die Wetterbesserung ab.
Der 04. Mai 1975 war ein Sonntag. Am Vormittag fand zum letzten Mal die traditionsreiche „Kirche“ auf der „Nordwind“ statt. Da die Auflösung der Schiffsgruppen bevorstand und „Münsterland“ und „Nordwind“ damit den Anfang machen wollten, waren noch einmal die Besatzungsmitglieder aller im See liegenden Schiffe erschienen. Die Neuankömmlinge des vorherigen Tages wurden begrüßt, noch einmal die alten Zeiten der vergangenen acht Jahre beschworen und versprochen, über die Great Bitter Lake Assoziation miteinander in Kontakt zu bleiben. Beim Ablegen gegen Mittag wurden die einzelnen Boote dann gleichfalls traditionsgemäß mit dem Blasen des Typhons verabschiedet. Ein Brauch, der sich während des langen Zwangsaufenthaltes trotz aller kriegerischen Ereignisse auf den Schiffen erhalten hatte. Die Nachmittags- und Abendstunden gehörten den Besprechungen für das Auflösen der Gruppe „ MÜWINIKIES“ am kommenden Montag. Da die Zustimmung der Suezkanalbehörde bereits vorlag, wurden die Probemanöver zur Sicherstellung der Fahrtüchtigkeit der Schiffe in allen Einzelheiten geplant.
Um 06-00 Uhr morgens am 05. Mai wurde mit dem „Aufkürzen“ der zahlreichen Leinen begonnen, welche die Schiffsgruppe bisher zusammengehalten hatten. Nach dem Frühstück um 08-00 Uhr wurde der Maschinentelegraf zum ersten Mal seit langen Jahren wieder auf „Achtung“ gelegt. Kurze Zeit später waren alle Leinen losgeworfen und die Anker wurden gehievt . – Die Gruppe der fünf Schiffe hatte vor allen verfügbaren Ankern gelegen. Dabei hatten die Vorschiffe „Nordwind“ und „Marit“ ex „Nippon“ in nördliche Richtung gewiesen, während die Anker der übrigen drei Schiffe nach Süden ausgefahren waren, weil man von dort die schwereren Stürme erwartete.
Gegen 08-55 Uhr waren die Anker ohne Schwierigkeiten aus dem Grund, und fünf Minuten später verließ die „Nordwind“ ihren langjährigen Ankerplatz. Etwa zwei Stunden lang wurden alle Fahrstufen der Maschine durchprobiert, darunter 60 Minuten „Voll Voraus.“
Der Große Bittersee ist ein Gewässer von etwa acht Seemeilen Länge und etwa vier Seemeilen größter Breite mit Wassertiefen bis zu 24 Metern, den der Suezkanal in einem betonnten Fahrwasser durchzieht. Er wurde vor den arabisch- israelischen Auseinandersetzungen als Weiche für die nord - bzw. südgehenden Schiffskonvois benutzt, die hier einander passieren konnten. Im Norden bei Ismailia gibt es noch den Lake Timsah und im Süden schließt sich an den Großen der Kleine Bittersee an, die alle als natürliche Wasserflächen von Lesseps beim Bau des Suezkanals ausgenutzt worden sind. Ihre Namen hatten die Seen wegen des hohen Salzgehalts des Wassers.
Die Vorarbeiten an der Maschinenanlage der „Nordwind“ waren so ausgezeichnet, dass während der Probefahrt keine technischen Defekte auftraten. Gegen Mittag wurde das Schiff in der Nähe der Restgruppe, bestehend aus der jetzigen „Marit“ ex „Nippon“, der „Hellenic Seaman“ ex „Killara“ und der „Badr“ ex „Essayons“ ex „Sindh“, wieder vor Anker gelegt. Inzwischen hatte sich auch die „Münsterland“ von der Gruppe gelöst und gleichfalls erfolgreich die notwendigen Probefahrten auf dem See durchgeführt.
Am Nordufer des Sees lag jetzt noch der amerikanische Frachter „African Glenn“, der während des Yom-Kippur-Krieges von den Ägyptern als vorgeschobener Beobachtungsposten und Feuerleitstelle benutzt worden war. Er wurde später von den Israelis versenkt, ohne noch an Bord befindliche Besatzungsmitglieder .
Ferner lag dort das bulgarische Schiff „Vassil Levsky“, welches sich gleichfalls während der vergangenen acht Jahre in keine der Schiffsgruppen eingereiht hatte und am 23.03.1975 im schwersten Sandsturm seit zehn Jahren auch seinen zweiten Anker verlor und am Nordufer des Sees gestrandet war.
Südöstlich von uns befand sich jetzt noch die Gruppe „ DJABIPORST“, bestehend aus den Schiffen „Djakarta“ und „Boleslaw Bierut“, sowie den beiden britischen Schiffen „Scottish Star“ und „Port Invercargill“. Diese Gruppe war jahrelang von polnischen Seeleuten betreut worden, die sich um die Philatelisten und Liebhaber von Schiffspost aus aller Welt bis zuletzt sehr verdient gemacht hatten.
Weit im Süden, in Richtung Fanara, lag die Gruppe „Agapenor“, „Melampus“ und „Lednice“. Die beiden erstgenannten Schiffe gehörten der weltbekannten englischen „Blue Funnel Line“ aus Liverpool. Die „ Lednice“ war eines der wenigen Schiffe unter tschechoslowakischer Flagge, mit Heimathafen Bratislava an der Donau. Sie war eigentlich kein richtiges Seeschiff und hatte sich bisher auch nur im Bereich des Schwarzen, Mittel- und Roten Meeres bewegt. Dort an Bord befand sich auch das einzige Wesen, das seit den Tagen der Einschließung ununterbrochen dabei war, der Bordhund „Beef“, der seit acht Jahren kein Bein mehr an Land gesetzt hatte. An Bord der polnischen Schiffe gab es noch zwei Söhne von ihm, die hier im Bittersee geboren waren und in ihrem Leben noch keinen Baum gesehen hatten. Die Hundemutter war auf einem der anderen Schiffe inzwischen verstorben.
Am Dienstag, den 06. Mai, erschienen vormittags einige Vertreter der Kanalbehörde und überprüften die Fahrtüchtigkeit der Schiffe für die Reise nach Port Said. Die bisher versiegelten Funkstationen wurden wieder geöffnet und Funkverbindung mit Ismailia wurde hergestellt. ---In den vergangenen Jahren war aus militärischen Gründen eine Benutzung der Stationen nicht erlaubt gewesen, eine kurzfristige Kommunikation zwischen den Schiffen und den Reedereien in Europa nicht möglich. Der offizielle Weg führte immer über die Agenturen in Kairo. Ein ständig an Bord befindliches Militär – bzw. Polizeikommando hatte überwacht, dass nicht funktelegraphisch gesendet oder empfangen wurde.
Gegen 15-30 Uhr kamen die Lotsen für die Kanalpassage an Bord. Wiederum mussten einige Fahrmanöver durch geführt werden. Allerseits bestanden keine Bedenken für die Durchführung der Reise. Am späten Nachmittag wurden die beiden Schiffe auf die Nordreede verholt und in die Startposition für Mittwoch gebracht. Absprachegemäß sollte die „Münsterland“ die Führungsposition übernehmen und die „Nordwind“ als zweites Schiff folgen.
In diesen Stunden fanden sich zahlreiche Vertreter von allen möglichen ägyptischen Behörden, Ministerien und Organisationen an Bord der Schiffe ein, um an dieser historischen und in aller Welt vielbeachteten ersten, friedlichen und offiziellen Kanalpassage von zwei Handelsschiffen teilzunehmen.
Die Reedereien hatten sich diese hervorragende Gelegenheit zur Publicity natürlich auch nicht entgehen lassen. Zusammen mit den Besatzungen war der Pressesprecher der Hapag -Lloyd AG. H. Simonsen auf der „Münsterland“ eingetroffen, der gemäß einer Sprachregelung mit der Nordstern Reederei die Positionen beider Hamburger Firmen gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber der Presse vertrat.
Am 07. Mai war um 05-30 Uhr „Maschine Achtung“, der Anker gehievt, Abfahrt Großer Bittersee. Gegen 06-30 Uhr wurde die Kanaleinfahrt bei Deversoir passiert. An den Ufern standen trotz dieser frühen Morgenstunde bereits zahlreiche Menschen, die den Schiffen begeistert zuwinkten. Film- und Fernsehkameras waren aufgebaut, dazwischen liefen Rundfunkreporter umher. Die Organisation der Suezkanallotsen hatte sich die Gelegenheit gleichfalls nicht entgehen lassen, außer den aktiv beratenden Vertretern eine Anzahl von weiteren Lotsen an Bord zu schicken, die nach der langjährigen Zwangspause wieder Erfahrungen bei der Kanalpassage von Handelsschiffen sammeln sollten. Alle waren hoffnungsvoll, dass die Freigabe der Wasserstraße für die internationale Schifffahrt unmittelbar bevor stand.
Kurz vor acht Uhr wurde Ismaiia, der Sitz der Kanalverwaltung von derv„Nordwind“ passiert. Vertreter der internationalen Presse– und Nachrichtenagenturen hatten einen Schlepper gechartert um für die Fotografen einen günstigen Blickwinkel zu erhalten und begleiteten die Schiffe durch den Lake Timsah. Da sich viel Bekannte darunter befanden, die die Schiffe in den vergangenen Monaten und Jahren im See besucht und über das Leben und das Schicksal der Seeleute berichtet hatten, wurden sie alle mit dem Blasen des Typhon zünftig begrüßt und verabschiedet.
Um 10-25 Uhr wurde die Signalstation „ El Kantara“ passiert, gegen 11 Uhr „ El Cap“. ---Bevor es überhaupt dort Funkverbindung gab, hatten die Signalstationen nach der Erbauung des Kanals die Aufgabe zu gewährleisten, dass die Schiffe den zeitlichen Ablauf der vorausgeplanten Passagen genau einhielten. Mit optischen Signalen an großen Masten wurden den Schiffen Verfrühungen oder Verspätungen beim Passieren angezeigt, damit sie ihre Geschwindigkeit danach einrichten konnten.---
An allen Ufern konnte man noch zahlreiche Zerstörungen aus dem Krieg erkennen, aber ebenso auch Aufräum– und Aufbauarbeiten, die teilweise schon dem weiteren Ausbau des Kanals dienten.
Kurz vor 13:00 Uhr kamen die Hafenlotsen vor Port Said an Bord. Beide Schiffe wurden hintereinander am Rande des Fahrwassers an Bojen festgemacht, damit die für die Heimreise benötigten Mengen an Öl und Wasser übernommen werden konnten. Die Besatzungen wurden noch einmal von der Hafen– und Kanalverwaltung offiziell begrüßt und die gelungene Passage als erster Schritt zur Wiedereröffnung des Kanals gefeiert.
Am Nachmittag erhielten die Schiffe nach einer letzten Besichtigung durch einen Vertreter des Germanischen Lloyd, die Fahrerlaubnis für die Heimreise. Zahlreiche Interviews in Presse und Rundfunk beendeten diesen Tag.
Ein kleines Ereignis am Rande des Geschehens sei hier besonders erwähnt. – Schon seit den großen Zeiten des Suezkanals wurden fast alle deutschen Schiffe von einer Händlerfamilie namens „Ferdinand“ betreut. Schon in der dritten Generation „musste“ der Chef der Firma, an der Unaussprechlichkeit seines eigentlich arabischen Namens leidend, diesen guten deutschen Vornamen tragen. Alle Seeleute kannten ihn und seine fliegenden Händler nur unter diesem (Vor-) Namen. In den acht Jahren der Kanalsperrung hatte er sich und seine Familie mit allen möglichen Tätigkeiten mehr schlecht als recht ernährt. Mit dem Eintreffen der ersten deutschen Schiffe in Port Said nach so langer Zeit, sah er eine neue geschäftliche Zukunft heraufziehen. Obwohl bereits gebrechlich, ließ er es sich nicht nehmen persönlich an Bord zu kommen und jeden Einzelnen mit Tränen in den Augen zu begrüßen. In seiner orientalischen Höflichkeit versicherte er, uns alle schon immer zu kennen und sah es als gutes Omen für sein Geschäft an, so alte Freunde bereits auf den ersten ankommenden Schiffen wiederzutreffen. Sein auf dem Bootsdeck ausgebreitetes Angebot an Waren und Souvenirs war noch spärlich und vom Krieg gezeichnet. Aber „Münsterland“ und „Nordwind“ trugen bereits zu einer Umsatzsteigerung seiner Firma bei und so war auch „Ferdinand“ hoffnungsvoll, die lange Händlertradition seiner Familie fortsetzen zu können.
Bei herrlichem Wetter wurden am 8. Mai morgens um 6:00 Uhr die Leinen in Port Said los geworfen. Die Schiffe fuhren durch den schon lebhaften Verkehr des Hafens am Gebäude der früheren Kanalverwaltung vorbei der Hafenausfahrt zu. Um 06:55 Uhr ging der Lotse von Bord, um 07:00 Uhr wurden die äußeren Wellenbrecher passiert. Um 8:00 Uhr war „Anfang der Seereise“ Richtung Heimat. Die Stimmung an Bord war ausgezeichnet.
Die Maschinen wurden langsam auf maximale Leistung hochgefahren. Jetzt sollte sich endlich beweisen, ob qualitativ gute Arbeit geleistet worden war. All Teile wurden wieder und wieder durch die Ingenieure kontrolliert. Es traten keine fahrtbehindernden Störungen auf. Die investierte Arbeitszeit und Sorgfalt der Wartung zahlte sich jetzt aus.
Bei günstigen Witterungsbedingunge n wurden zwischen dem 9. Und 11. Mai Tagesdurchschnittsge schwindigkeiten von 9,4 bis 9,9 Knoten mit der „Nordwind“ erreicht. Die „Münsterland“ lief etwa 2 bis 2,5 Knoten schneller.
Auch hier bei den unerwartet hohen Durchschnittsgeschwi ndigkeiten zeigte sich gleichfalls, welch gute Vorarbeit zuvor geleistet worden war. Der Muschelbewuchs an den Rümpfen, der maximal etwa 10 bis 15 Zentimeter betrug, war schon während der Liegezeit so weit wie möglich entfernt worden. Durch Umpumpen von Ballastwasser waren die Schiffe etwas auf die Seite gelegt worden, so dass auf der auftauchenden Seite die Platten vom Bewuchs gesäubert werden konnten. Die Ein – und Auslassstellen von Seewasser und Abflüssen waren während der langen Ankerzeit mehrmals gereinigt worden. Zuletzt im März 1975 von einem amerikanischen Taucher. Ruderblatt und Schraube waren ebenso nahezu frei von Bewuchs gehalten worden.
Am Sonntag, den 11. Mai, immer noch im östlichen Mittelmeer, wurden die Schiffe und ihre Besatzungen in einer Sendung der „Deutschen Welle“ von dem Reporter Herbert Fricke, der kurz zuvor im Bittersee an Bord gewesen war, herzlich begrüßt.
Als am 12. Mai die Inseln Malta, Gozo und Pantelleria passiert wurden, frischte der Wind auf Nordwest 6 bis 7 auf. In der Straße von Sizilien am 13. Mai herrschte gleichfalls WNW 7, grobe See und mittelhohe Dünung. Cap Bon wurde passiert, dann sla Cani und Isla Galite. Die Durchschnittsfahrt ging bei „Nordwind“ auf 8 Knoten zurück.
Bei Abfahrt von Port Said hatten die Reedereien noch offen gelassen, ob beide Schiffe gemeinsam die Heimreise durchführen sollten, oder ob „Münsterland“ wegen der höheren möglichen Geschwindigkeit allen vorausfahren sollte. Bis Malta sollten die Schiffe auf jeden Fall zusammen bleiben um sich bei auftretenden Schäden gegenseitig Hilfe leisten zu können. Am 12- Mai hatten dann aber die Reedereien entschieden, dass die Schiffe Hamburg gemeinsam erreichen sollten.
Bei nachlassenden Winden wurde am 14. Mai der westliche Teil des Mittelmeeres erreicht. Die Schiffe hielten sich weit nördlich der afrikanischen Küste um den dort laufenden Gegen-strom zu meiden.
Am 16. Mai wurde gegen 22 Uhr Gibraltar passiert und um Mitternacht Tarifa Feuer. Bei langer westlicher Atlantikdünung standen die Schiffe am nächsten Tag gegen 20 Uhr unter Cap San Vincente und am 18.05. um 7 Uhr unter Cap Roca. Die Mittagsposition lag bei Islas Farilhoes querab.
Die Schiffe erreichten am 19. Mai um 10 Uhr Cap Finisterre und waren mittags bei Cap Villano. Wind Nordost 7 bis 8, grobe See und zunehmende Dünung in der Biskaya, Wasser über Back, Deck und Luken.
Am 21. Mai wurde um 03 Uhr mit dem Passieren von Quessant Feuer, der Eingang des Englischen Kanals erreicht. Dieser wurde bei relativ günstigem Wetter durchfahren. Cap Griz Nez gegenüber von Dover war am 22.Mai um 10 Uhr querab.
Der Wind frischte am 23. Mai in der Nordsee auf WNW 7 bis 8 auf. Die Schiffe rollten in grober See und mittelhoher Dünung. Um 20:00 Uhr war vor der Wesermündung für die „Nordwind“ „Ende der Seereise“. Es wurde eine Reisedurchschnittsfa hrt von 9,28 Knoten erreicht. Der Lotse wurde beim Feuerschiff „Elbe 1“ übernommen und um 23:30 Uhr wurde auf Neuwerk Reede geankert, um den von den Reedereien eingeplanten Ankunftstermin am Sonnabend in Hamburg einhalten zu können. Die „Münsterland“ war nach Ausgang des Kanals voraus gefahren und hatte ihren Ankerplatz schon drei Stunden vor der „Nordwind“ eingenommen.
Als am 24. Mai 1975 morgens um 4:15 Uhr die Anker gehievt wurden, begann für „Münsterland“ und „Nordwind“ der letzte Tag auf der wohl längsten Reise, die in der Geschichte der deutschen Seefahrt aufgezeichnet wurde.
Die Berichte in Presse und Rundfunk hatten diesen Tag zu einem besonderen Ereignis in Hamburg und in der gesamten norddeutschen Küstenregion gemacht. Das „Hamburger Abendblatt“ erschien mit der Überschrift „Herzlich Willkommen in Hamburg“ auf Seite Eins seiner Wochenendausgabe. Um den schaulustigen Besuchern Gelegenheit zu geben die Schiffe auf ihrer Fahrt elbaufwärts zu sehen, waren von den Reedereien unter Berücksichtigung der Tidenverhältnisse genaue Fahrplandaten ausgearbeitet und veröffentlicht worden, die auch von den Schiffen so weit wie möglich eingehalten wurden.
Es war noch dunkel als der Ankerplatz verlassen wurde, das Feuerschiff „ Elbe 3“ wurde um 05:05 Uhr und die Kugelbake bei Cuxhaven wurde um 05:50 Uhr passiert. Am Steubenhöft stand die achtzigjährige Mutter des Leitenden Ingenieurs H. Schwäbisch von der „Nordwind“ und winkte den vorbeifahrenden Schiffen zu. – In einem Interview über Funktelefonie mit einer Cuxhavener Zeitung hatte sich am Vortage herausgestellt, dass er das einzige Besatzungsmitglied aus Cuxhaven war, und seine Mutter immer noch dort lebte. So hatte der Reporter es sich nicht nehmen lassen die alte Dame zu dieser frühen Stunde auf das Steubenhöft zu bringen. Der Leitende Ingenieur war der Mann mit der längsten „Bitterseeerfahrung“ an Bord beider Schiffe. Mit Unterbrechungen hatte er die Maschinenanlagen über zweieinhalb Jahre lang im See betreut. Die komplikationslose Heimreise war nicht zuletzt sein Verdienst.
Um 08:23 Uhr wurde auf der „Nordwind“ der Elblotse vor Brunsbüttelkoog gewechselt. Die Rhinplate vor Glückstadt wurde passiert. Vor der Lühe kamen zwei von der HADAG gecharterte Ausflugsdampfer längsseits und setzten auf jedem Schiff etwa vierzig Journalisten zusammen mit einigen Vertretern der Firmenleitungen ab.
Die Schiffe waren auf der Heimreise so gut wie möglich von den Besatzungen gesäubert und aufgearbeitet worden. Alle verfügbaren Flaggen wurden jetzt gesetzt, es wurde „über die Toppen geflaggt“. Als besondere Überraschung wollten die Schiffe vor Hamburg einen sogenannten „Heimatwimpel“ setzen. Einen Wimpel, der die Länge der Reise demonstrieren sollte. Für jeden Tag der Reisedauer sollte ein Zentimeter Flaggentuch stehen. Das ergab 30,16 Meter für die „Münsterland“ und 30,14 Meter für die „Nordwind“. Die Matrosen hatten in den letzten Tagen intensiv daran gearbeitet und das Baumwolltuch mit den Sätzen „MÜNSTERLAND GRÜSST HAMBURG“ bzw. „HAMBURG 3014 TAGE HAMBURG“. Auf „Nordwind“ war geplant die Flagge vom Vormast aus zum Mittschiffsaufbau zu spannen, da sie zu schwer und zu lang war, um frei auszuwehen. Leider erwies sich aber das verwendete Baumwolltuch, als den norddeutschen Winden nicht gewachsen. Der Wimpel zerriss schon bei der ersten Probe und musste schließlich wie ein Transparent an der Backbordseite des Rumpfes ausgebracht werden.
Ein Container mit Ersatzteilen und Proviant, den die Reedereien im November 1974 per Schiff nach Ägypten auf den Weg gebracht hatten um den Besatzungen die bevorstehenden Weihnachtstage etwas zu verschönern kurz vor Ostern 1975 endlich endlich noch im See angekommen. Außerdem war von der staatlichen ägyptischen Handelsorganisation, welche die Schiffe während der langen Zeit schlecht und recht gegen Devisen mit Brennstoff und Proviant versorgt hatte, immer einiges auf Vorrat eingekauft worden. So war die Ernährungslage auf den Schiffen für die Dauer der Heimreise nicht schlecht, und es war sogar noch möglich, den jetzt an Bord befindlichen Gästen etwas zu essen und trinken anzubieten und die Zeit bis zur Ankunft in Hamburg zu verkürzen und eine kleine Pressekonferenz abzuhalten.
Am Stadersand sammelten sich schon Ausflugsdampfer und Boote um die Schiffe, deren Zahl bis zum Hamburger Hafen auf einige Dutzend zunahm. An den Ufern, auf den Elbdeichen und auf den Anlegepontons standen die Menschen schon dichtgedrängt und winkten. Die entgegenkommenden Schiffe begrüßten die Heimkehrer mit langem Tuten aus ihren Typhonen. Die Flut schob die Schiffe schnell vor sich her die Elbe hinauf. Um den Zeitplan einhalten zu können, musste „ganz langsam“ gefahren werden. An der Hamburger Landesgrenze erfolgte die Begrüßung durch den Hafenkapitän. Um 13:00 Uhr wurde Blankenese passiert, vor Finkenwerder kletterten die Hafenlotsen Hensel und Niklaus an Bord. Dann wurden die Schlepper vorn und achtern festgemacht. Um alle Grüße der vorbeifahrenden Schiffe und Boote und der winkenden Menschen zu erwidern musste fast ständig das Typhon bedient werden. Im Bereich des Hamburger Hafens waren fast alle Ufer, Stege, Pontons, Brücken und Anleger mit Menschen bedeckt, bis hinauf zum Stintfang und bis auf die Dächer der Häuser. Die Schlepper und Feuerlöschboote verspritzten Wasserfontänen aus ihren Löschkanonen und an den Ufern hatten die Feuerwehren gleichfalls ihre C-Rohre angeschlossen und „Wasser marsch“ befohlen. Von 14:00 Uhr bis 14:40 Uhr wurden die Schiffe an den St. Pauli- Landungsbrücken vorbei bis zum Baumwall geschleppt und drehten vor dem Amerikahöft. --- Das Wetter war in Hamburg leicht bedeckt und etwas kühl, leider nicht frühlingshaft wie es das Datum erwarten ließ, aber immerhin war es trocken. Nach einer weiteren Passage an den Landungsbrücken vorbei drehten die Schiffe in den Kuhwerderhafen ein und machten um 15:30 Uhr an dem neuerbauten Schuppen 73 fest. Obwohl das Gebiet abgesperrt worden war, wurde die Freifläche vor dem Schuppen des Kaiser–Wilhelm-Hafen von vielen Menschen bevölkert, von Angehörigen, Freunden, Verwandten und Bekannten. Fast jeder, der irgendwie mit der Schifffahrt zu tun hatte, wollte sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen.

Unmittelbar darauf erfolgte die Begrüßung der Besatzungen durch den Hamburger Bürgermeister H.U. Klose, den Vorstandssprecher der Hapag-Lloyd A.G. H.J. Kruse und durch den Inhaber der Nordstern-Reederei A. Mackprang. Bürgermeister Klose nannte die Rückkehr der Schiffe ein gutes Omen für die Beziehungen Deutschlands zum Nahen Osten und für den Frieden in der Welt. Die beiden Reeder dankten den Besatzungen für die geleistete Arbeit und sprachen über die Motive, die sie zum Festhalten am Besitz der Schiffe in all den Jahren veranlasst hatten. Der Tag endete volksfestartig mit Bierausschank in der großen Halle des Schuppens 73.

Am Sonntag, dem 25. Mai 1975, wurde mit den Vorbereitungen zum Ausgasen der Schiffe begonnen. Bevor die Ladungen gelöscht werden durften, mussten diese gesundheitspolizeili chen Vorschriften erfüllt werden, um ein Einschleppen von Ungeziefer nach Deutschland zu vermeiden. Die finanzielle, rechtliche und versicherungstechnis che Seite dieser spektakulären Reise stellte sich, vereinfacht gesagt, folgendermaßen dar: Die Versicherungen hatten schon vor Jahren den Reedereien die Versicherungssummen für das eingetretene Kriegsrisiko ausbezahlt. Das Wagnis, die Schiffe im See liegen zu lassen und zu behalten, auf eine eventuelle Rückführung zu hoffen und damit alle anfallenden Kosten selber zu tragen, war also auf die Schiffseigner über gegangen. Ähnlich war die Lage bei den Ladungsempfängern, natürlich mit Unterschieden in der Vielzahl der abgeschlossenen Verträge über die Versicherung der einzelnen Ladungsparteien. Von den ursprünglichen Ladungsempfängern waren nur noch wenige an der Übernahme ihrer Güter nach acht Jahren interessiert. Daher wurde der größte Teil der gelöschten Waren in einer von den augenblicklichen Eigentümern organisierten Auktion versteigert.
Nach dem Löschen wurden die Schiffe zu einer Grundüberholung in die Werft verholt. Teile des Muschelbewuchs der Rümpfe stehen heutzutage als Souvenir auf den Schreibtischen von Reedereikunden. Weitere Andenken aus Bordbeständen z.B. Rettungsringe und Flaggen aus dem Bittersee wurden in einer Aktion des Hamburger Abendblattes am damals folgenden Sonntag zugunsten eines Seefahreraltenheimes auf dem Altonaer Fischmarkt öffentlich versteigert.
Die Besatzungen trafen sich zum letzten Mal am 26. Mai zu einem sogenannten „Kapitänsfrühstück“ in den Räumen der Bavaria und St. Pauli Brauerei in ihrem Restaurationsbetrieb „Bavaria-Blick“ hoch über dem Hamburger Hafen. Hier hatten auch die Kapitäne noch einmal Gelegenheit den Besatzungen für den großen Einsatz zu danken. Mit einem Interview der Deutschen Welle über den letzten Teil und erfolgreichen Abschluss der Reise, ging hier und so eine der wohl denkwürdigsten Episoden in der Geschichte der deutschen Seeschifffahrt zu Ende.
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