Hans-Joachim S.
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SOS vor Warnemünde - 25/04/2008 15:00
SOS vor Warnemünde der Motorboot Seeunfall des MS "Freundschaft" auf der Reede vor Warnemünde
Wir kamen von Westafrika und hatten Holzstämme geladen. Diese haben wir im Überseehafen entladen, danach ging es weiter auf die Reede bei Warnemünde, dort warteten wir auf einen Liegeplatz in der Warnow-Werft. Der Zoll hatte während der Kontrolle im Überseehafen (ÜSH) wohl allerhand gefunden (Alkohol, Zigaretten, etc, genaues weis ich nicht). Zur Klärung dieser Angelegenheit kamen vier Zöllner auf Reede da im ÜSH nicht genug Zeit war. Trotz des schlechten Wetters wollten sie nachmittags unbedingt wieder an Land,(das Wochenende stand ja an…) Der Kapitän sprach seine Bedenken hinsichtlich des Wetters offen an. Aber nichts half, die 4 Zöllner sollten von 2 Besatzungsmitglieder an Land gebracht werden. Los ging es bei Windstärke 6. Die Wellen klatschen gegen das Boot. Dunkle Wolkenfetzen jagen über das Meer. Am Horizont ragen die Aufbauten des MS Freundschaft empor. Auf der anderen Seite sahen wir Warnemünde. Aber voran kamen wir nicht.
Wir sahen die "Meridian" die sich auf Probefahrt befand und hielten darauf zu, da wir davon ausgingen Warnemünde nicht mehr zu erreichen. Kein Zeichen des Schiffes das man uns gesehen hatte, also waren wir uns weiterhin unsicher. Zwei der vier Zöllner drehten total durch und schrieen wie Wahnsinnige. Einer der beiden schnallte sein Koppel ab, warf Ihn über Bord, dann sprang hinterher. Dies alles im Januar bei ca. 5 Grad Wassertemperatur. Bei den Bemühungen ihn zu fassen und wieder an Bord zu ziehen kenterte das Boot. Es war voll Wasser, auch die Maschine lief nicht mehr weil die Ventile keine Luft mehr ansaugen konnten. Ergo lagen sechs Leute im Wasser und mussten durchhalten. Ich spielte mit dem wahnwitzigen Gedanken mich von dem Boot zu entfernen um eine Leuchtboje zu erreichen, die den Seeweg kennzeichnete. Da wir schon ein paar Tage auf Reede lagen wusste ich, dass die Dänemark-Fähre bald kommen würde. Ich wollte das Licht abzudunkeln damit ich gesehen werde. Heute bin ich froh, dass ich diesen Gedanken nicht in die Tat umgesetzt habe.
Artikel aus der Presse: 16. Januar. Der Tag beginnt wie viele andere. Auf See weht eine steife Brise. Windstärke sechs. Die Wellen klatschen gegen den Molenkopf vor Warnemünde. Dunkle Wolkenfetzen jagen über das Meer. Am Horizont ragen die Aufbauten des MS Freundschaft empor. Es liegt auf Reede. Seelotse Harmes Brodersen steht neben Werftkapitän Thode auf der Brücke und führt die „Meridian" von einer Probefahrt in den Werfthafen zurück. Er hebt das Glas an die Augen. Sein Körper spannt sich plötzlich. Dort draußen - weitab von ihnen entdeckt er ein kleines weißes Boot. Männer winken ihnen zu. Und plötzlich - Wellen verdecken die Sicht - das Boot taucht nicht mehr auf. Kieloben hebt es sich wenig später aus den Fluten. Menschen klammern sich daran fest. Helfen, sofort helfen. Die „Meridan" aber ist zu weit entfernt.Versetzboot
fahrer
Harmes Andresen blickt zur Uhr: „Na, nu is woll föfftein", meint er und freut sich auf den Feierabend. Da wird die Tür zur Lotsenstation aufgerissen.' „Brodersen gibt von der Meridian` ein Signal. Wie möten rut."Wenige Minuten später rauscht das Lotsenboot mit voller Kraft in Richtung der „Meridian". - Doch was treibt dort? Etwas Weißes, da, Menschen! Im Bogen fahren Andresen und Palm an das gekenterte Boot. Kieloben treibt es. Mit letzter Kraft klammern sich sechs Männer daran fest. Schreien, winken oder erheben ermattet nur den Arm. Die beiden Versetzbootfahrer sehen sich an. Dann geht alles in Windeseile. Jeder Handgriff sitzt. Mit einem Ruch fliegt die Wurfleine zu den Männern hinunter. Was geschieht? Sie greifen nicht danach? Zu erstarrt sind die Hände, um noch etwas festhalten zu können. Das Lotsenboot muss hart an den Unfallort ran. Andresen und Palm greifen zu. Einen nach dem anderen holen sie ins Boot. Fest klammern sich die Schiffbrüchigen an die beiden Männer,
Zerren sie selbst bald ins tobende Meer.„Sind alle an Bord?" fragt Andresen. Sie nicken. Eingehüllt in Decken sitzen die vier Genossen vom Amt für Zoll und Warenkontrolle neben den beiden Seeleuten von der „Freundschaft", die sie mit dem Boot von der „Freundschaft" zurück an Land bringen sollten und dabei verunglückten. Andresen und Palm haben inzwischen über ihr Radio-Telefon die Lotsenstation verständigt. Das Lotsenboot läuft im Alten Strom ein. Die sechs Verunglückten werden warm eingewickelt. Die beiden Männer, die unter Einsatz ihres Lebens sechs junge Männer dem Meer entrissen, blicken sich zufrieden an, als der Krankenwagen abfährt. Den drei Männern, dem Lotsen Harmes Brodersen sowie den Versetzbootfahrern Hannes Andresen und Kurt Palm; gebührt unsere Hochachtung und unser Dank, sie sind Helden. von Helga Lubitz ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
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Nach einer gewissen Zeit sahen wir ein Lotsenboot auf uns zu kommen, das von der "Meridian" angefordert wurde. Die beiden Besatzungsmitglieder waren der Meinung, sie sollten den Lotsen vom Schiff abholen. Doch dann sahen sie uns. Mit großer Anstrengung holte uns einer der Lotsen an Bord, da der zweite am Ruder stehen musste. Ich war der letzte der geborgen wurde. Wir sind alle sofort runter in den kleinen Maschinenraum, um uns an den warmen Rohrleitungen und dem Motorblock etwas aufzuwärmen. Dann erreichten wir Warnemünde (die beiden durchgedrehten Zöllner schrieen immer noch). Man brachte uns etwas Alkohol aus einer nahe liegenden Kneipe in die Lotsenstation. Dann kam der Krankenwagen, völlig nackt, nur in Decken eingehüllt, ging es nach Rostock ins Krankenhaus.
Am nächsten Morgen, noch bevor jemand von der Reederei anwesend war erschien ein Mitarbeiter der Staatssicherheit und stellte Fragen nach der Waffe, die einer der Zöllner samt seinem Koppel in die das Wasser geworfen hatte. Dies war sicher das Wichtigste.... Zur Seeamtsverhandlung am 9.März 1962: Es wurde festgestellt, dass der russische Kapitän uns retten wollte, aber das Kommando hatte allerdings der Kapitän der Neptunwerft. Er äußerte sich dahingehend, dass er mit der ungeschulten Besatzung ein Boot bei dem Wetter nur im Notfall aussetzen würde. Weitere Kommentare hierzu sind meines Erachtens nicht erforderlich.
Das Boot wurde nach Wochen kieloben in Prerow an Land getrieben. Untersuchungen ergaben, dass sich auch in den Lufttanks Wasser befand.
Erlebt und erzählt von: Hans-Joachim S. Maschinen-Assistent - MS"Freundschaft".
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