Seibicke
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Labskaus auf indisch - 01/01/2011 18:01
Aus dem Bordleben
Lag der Dampfer irgendwo ruhig auf Reede, eroberten die Stewardessen mit ihren Astralkörpern das Peildeck für sich. Astralkörper deshalb, weil diese Lichtgestalten des Schiffsbetriebes von der Besatzung nur traumhaft wahrgenommen werden konnten. Sie ließen sich nicht fassen, weder emotional noch körperlich, bedeuteten für die Seelords nur eine übersinnliche Erscheinung wie die Jungfrau Maria in der Grotte von Lourdes.
Auf See eignete sich dieser grasgrün gemalte Rast- und Lagerplatz kaum für ein Bad in der Tropensonne. Die Turbolader jaulten, die Hauptmaschine wummerte und durch den Schornstein wurden zwar kaum sichtbare, aber um so besser riechbare Schwaden ausgestoßen. Rußablagerungen, die sich rings um ihre gut verhüllten alabasterfarbenen Busen herum hätten sammeln können, waren allerdings kaum zu befürchten. Der Fahrtwind blies alles über das Achterschiff hinweg in die Hecksee hinein. Doch welche umweltbewusste Fahrensfrau mochte schon unter einer Esse liegen, durch die 40 Tonnen verbrannten Schweröls am Tag ausgestoßen wurden.
Auch mit der Visite des Wachoffiziers musste gerechnet werden. Der hätte bei solcher Gelegenheit seinen Dienst sehr ernst genommen und mindestens halb stündlich die Missweisung an seinem Magnetkompass dort droben über die entblößten Körper hinweg ablesen wollen.
Obwohl nicht so gut einsehbar wie der Platz auf dem achteren Deckshaus am Swimmingpool, war das Peildeck leider ebenso wenig zum Ausleben befreiender Nacktheit geeignet. Die Träger der Oberteile fallen zu lassen, den Verschluss des Bikini auf dem Bauch liegend zu lösen, das konnten sich die Damen erlauben, mehr nicht - wenn sie keine sexuelle Revolution auslösen wollten. Selbst diese kleine Tropenerleichterung veranlasste manchen Matrosen, wenn er auf den Schwergutmasten arbeitete, stundenlang anzügliche Bemerkungen herunter zu blöken.
Drang die Kunde gar bis zu den Jockeln herab, dass es auf dem Peildeck was zu gucken gäbe, stiegen auch schon mal die Assis hoch in den Schornstein, um von oben herab einen Blick auf lange Entbehrtes zu werfen. Im tiefsten ihrer Seele völlig unbefriedigt, verschwanden sie anschließend wieder in ihrem Keller. Dem unter diesem Deck hausende Funker fiel in seiner Fleischeslust auch nicht anders ein, als den Damen mit einer kalten Dusche aus seiner Klistierspritze auf die Sprünge zu helfen. Aber auch jung, feucht und ganz allein taten sie ihm nicht den Gefallen. Erst knüpften sie den Bikini wieder zu.
Nach dem Grillen ihrer Bodys hieß es wieder hinab zusteigen in die Dumpfheit ihrer durch zwei Bullaugen spärlich beleuchteten Kammern. Und dann, Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Gebräunteste im ganzen Land? Für die spuckte der Hautkrebs schon in die Hände. Ungemach drohte allerorten. Wer ein Sonnenbad am achteren Swimmingpool nahm, dem wurde eine rundum gelungene Feinstaublunge garantiert. Mich wundert, dass ich so fröhlich bin.
Vorabdruck aus dem Buch „Labskaus auf indisch“ von Friedrich Seibicke, erscheint 2012
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