Lothar B.
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Der Super-Stollen - 16/04/2008 15:09
Der Super-Stollen WEIHNACHTEN 1954
Der Deutschen liebsten Festtage rückten immer näher. Unsere erste Matrosenweihnacht auch. Und mit ihr unser erster Weihnachtsurlaub. Von Zuhause trafen Weihnachtspakete ein. An der „Heimatfront“ konnten nicht alle von unserem Glück wissen, dass man uns über die Feiertage raus lassen würde. Aus dem Süden kamen die ersten Christstollen. Sie durften immer von allen probiert werden. Vorfreude überall!
Unser Kumpel Max Langer wusste, dass aus seiner Heimat ein Stollen kommen wird, der alle bisherigen in den Schatten stellen würde. Max vertröstete uns, wenn wir neugierig nachfragten: „Wartet’s nur ab. Ihr werdet staunen!“ Tatsächlich. Eines Tages traf ein mächtiges Paket ein, adressiert an Herrn Max Langer. Das war Maxens Stollen!
Max war zu der Zeit nicht in der Kammer. Wegen irgendeiner Arbeitsgemeinschaft würde er auch so schnell nicht zurück sein. Diese Gelegenheit musste doch genutzt werden! Schnell rannte einer zur Kombüse und besorgte sich ein sehr altes Weizenbrot. Die anderen öffneten inzwischen sorgsam das Fresspaket. Da lag der so sehnlichst erwartete, gewünschte Stollen. Ein Prachtstück! Schnell austauschen gegen das steinharte Weizenbrot! Dann wurde das Paket wieder sorgfältig verschlossen und verschnürt, ohne irgendwelche Spuren an der Verpackung zu hinterlassen. Den Stollen verwahrten wir derweil in einem Spind.
Endlich kam Max herein. Er erblickt sein Paket. „Das ist er!“, jubelte Max. Er winkte uns zu sich heran und begann, die lang erwartete Liebesgabe zu öffnen. Da lag er dann vor ihm. „Bisschen blass“, meinte einer. „Das Äußere spielt doch keine Rolle“, wusste ein anderer sich klug einzuschalten. Geruch war ebenfalls nicht auszumachen. „Sollte das etwa ...?“, Max wollte gar nicht weiterdenken. Die erste Scheibe Stollen brachte auch keine Lösung. Auch innen blass. Keine Spur von Rosinen. Max wagte dennoch einen Biss. „Das ist Weißbrot“, sagte er leise, „nur Weißbrot!“ So murmelte es auch fragend aus der erstaunten Menge. Columbus’ Verwunderung bei der Entdeckung Amerikas kann nicht größer gewesen sein ... „Max, du hast ja Triefeltern“, sagte jemand. Ein anderer tröstete ihn: „Vielleicht ist der Stollen ja gar nicht schlecht, ein bis zwei Wochen noch lagern, dann erst entfaltet er sein Aroma. Vielleicht wird es doch noch ein Stollen ...“
Max wirkte furchtbar traurig und wurde immer stiller. Dann aber verlor er seine Beherrschung. Er war stinksauer: „Die Ärsche! Wenn ich im Urlaub nach Hause komme, dann mach’ ich bloß die Haustür auf und sag’ Scheiße. Dann drehe ich mich auf der Stelle um und hau ab!“ Max überlegte ernsthaft, ob er nicht als „Dankeschön“ ein Paket mit einem alten Kommissbrot und Stinkerkäse nach Hause schicken sollte. Irgendwann, jedoch noch rechtzeitig vor Wirksamwerden dieser Rachegedanken, bekam Max seinen echten Stollen zurück. Im Nu war sein Ärger verflogen. Er zollte uns sogar Anerkennung für unsere Untat. Jeder von uns bekam ein gutes Stück vom guten Stollen. Und d e r war wirklich gelungen!
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