Micha
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Johann Gottlieb Fichte - 03/12/2009 11:19
Micha´s erste und einzige Ausbildungsreise mit dem Motorschiff „Johann Gottlieb Fichte“ von 08/71 bis 10/71 in die Karibik.
Da die Ereignisse, von denen ich hier schwärmen werde, nun schon schlappe 38 Jahre zurückliegen, erheben sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich habe in dunkler Erinnerung, dass ich am 07.08.1971 mit einem geschulterten Seesack voller Matrosenplünnen die steile Gangway des Ausbildungsschiffes J.G. Fichte der DSR Rostock hoch gewankt bin. Das Zeug hatten wir bei der Schiffsversorgung der DSR abgefasst. Hinter mir ist mein alter Herr Siggi die Gangway mit leuchtenden Augen hoch gekeucht und bugsierte einen überdimensionalen Schrankkoffer mit Holzversteifung an Bord. In dieses alte Erbstück von meinem Großvater Artur hatte meine besorgte Mama Eleonore die ganzen überlebenswichtigen Seefahrerutensilien eingepackt, wie etwa Nierenschützer gegen die tropischen Winde um die Lenden. Wie gesagt, dieses Monstrum von Überseekoffer mit schützenden Holzleisten gegen Auseinanderbrechen und Graffity made in USA, hatte mein Großvater Artur, als er so um 1910 eine kurze Auswanderungs-
Stippvisite als gelernter Bäckermeister nach Milwokee unternommen hatte, mit nach Deutschland zurückgebracht. Dieses edle Teil sollte mir nun helfen, die Küsten Cubas zu erreichen und heil wieder zurückzukommen. Dieses Schmuckstück erregte nun auch noch die Aufmerksamkeit des Lehr-
Oberbootsmannes, der mit seien 3 verbliebenen Fingern seiner rechten Hand Zeichen gab, die wir Neu-Seeleute noch nicht verstanden .Dafür wussten aber die anderen umstehenden amüsierten Matrosen der Stammbesatzung Bescheid und klärten uns auf, dass es schon Stifte gegeben haben soll, die schon auf der Schiffstreppe mit ihren ganzen Krempel auf dem Ast seekrank wurden und sich schon vor der ersten Seereise in den Bach verabschiedet hätten. Das Gelächter war herzlich und wir wussten nun, warum die Jungens ein Netz zwischen Gangway und tiefem Hafenwasser gespannt hatten. Der Lehroberbootsmann namens Geier war so etwas wie der Spieß bei der Armee. Er gehörte seit der Übernahme der Claude Bernard“, die am 31.10.1948 bei Ateliers et Cantiers de la Loire in St. Nazaire noch handgenietet vom Stapel lief, zur Einrichtung des alten Eimers. Er war seit dem 07.08.1962, als dieses stolze Schiff bei der DSR als MS J.G. Fichte umgetauft einlief, an Bord und brachte den Lehrstiften Seemannschaft und ordentliches seemännisches Benehmen bei. Er hatte sich in einem kurzen unvorsichtigen Moment die beiden Mittelfinger der rechten Hand an den soliden Handdeckel-Luken abgeklemmt, die nach alter seemännischer Art noch mit Persenning seewasserdicht verschlossen wurden. Auf der Überfahrt über den großen Teich konnten wir Stifte dann bewundern, wie elegant er die Flasche „ Hafenbrühe“ mit seinen 3 verbliebenen Krallen halten konnte. Wenn ich mich richtig zurückerinnere, hatte wir Lehrstifte an Bord striktes Alkoholverbot. Als mein Papa Siggi und ich mit pfeifenden Lungen das Deck erklommen hatten, brüllte Lehroberbootsmann „Goldfinger“ in unsere Richtung Rümmler E-Deck Kammerhundersiebenun
dsoooo, Richtung Bug wie vorne.
Mit der genauen Richtungsangabe machten wir uns voller Vorfreude auf den Weg durch die finsteren Gänge und verliefen uns in dem alten Kahn erst einmal und irrten orientierungslos wie die Lämminge durch die Schiffsunterwelt. Zwischendurch riskierten wir schon mal einen scheuen Blick in die Tiefen des Maschinen- raumes und in die Mannschaftsmesse. Irgendwann nach dieser Odyssee kam ich mit Siggi am „Fahrstuhl“ an. Warum unsere neue Behausung bei den Seelords der Stammbesatzung „Fahrstuhl“ hieß, sollten wir 4 seefahrenden Frischlinge dieser Kammer in der Nordsee und der Biskaya erfahren. Meine Kammerkameraden waren ein Schweriner, ein Junge aus dem Arzgebirg und ein Rostocker Jung. Ich kam aus dem Kaiserlich- Königlichen-Kuh-
Kaff- Köthen (KKKK-Köthen), eine mit Narren übervollen Kleinstadt im Sachsen-
Anhaltinischem. Wir waren also ein bunt gemischter Haufen, der voller Abenteurer-Lust auf ein sicheres Studium an Land verzichtet hatte, der Landesverteidigung erst einmal entgehen wollte oder weil er den kleinstädtischen DDR-Mief mal eine Weile hinter sich lassen wollte. Wir wurden auf dem Ausbildungsschiff als Klasse AB2 geführt und sollten in verkürzter Lehrzeit von 2 Jahren den Vollmatrosen der Hochseehandelsschiff
fahrt basteln und waren dann für ein Studium auf der Seefahrtsschule Warnemünde/Wustrow vorgesehen. Die erste Reise ging nach La Habana auf die schöne karibische Insel Cuba. Im Vorfeld hatte ich etwas über das Bruderland im Westen recherchiert und bin im „Käpt´n Mäcki“ alias „Altdeutscher Hof“ in meinem Heimatkaff fündig geworden. Im„Käpt´n Mäcki , der Stammkneipe der Köthener Seefahrer, als einer absolut zuverlässige Informationsquelle, erfuhr ich, dass es den Damen auf der Insel hauptsächlich an modischen Kleidungsstücken mangelt. So hatte ich vorsorglich das Jugendweihekleid meiner großen Schwester mit weißem Patticoat und geblümtem Chiffon in meinem Überseekoffer eingepackt. Mutti hat etwas seltsam geschaut, als sie das schöne Stück zwischen meinen Unterhosen sichtete und hat unsicher gefragt, wozu ich denn das gute Stück auf Cuba brauche. Vielleicht hat sie gedacht, dass ich damit auf dem Malecon in La Habana oder am Strand von Varadero flanieren gehen möchte. Ich konnte ihr aber diese Angst nehmen, dass ich an das andere Ufer gewechselt bin und klärte sie über meine Tauschhandelsabsicht
en auf.
Um das Ausbildungs-
Frachtmotorschiff J.G.Fichte rankten sich dunkle Legenden. Der alte Eimer hatte am 07.08.71 zu dem er auf den Tag genau 10 Jahre unter DSR-Flagge fuhr, schon stolze 22 Jährchen auf dem Kielschwein, war im Indochina-Krieg angeblich als Truppentransporter unterwegs und wurde von der DSR zu einem Überpreis von den Franzosen gekauft. Der korrupte Sack, der die Einkaufsverhandlunge
n seitens des Volkseigenen Außenhandelsunterneh
mens Schiffs- Commerz Rostock damals führte, soll einen überhöhten Preis akzeptiert haben und sich dann mit dem Backschisch der Franzosen in Luft aufgelöst haben.
Jedenfalls fuhr die Fichte ab 1961 als Ausbildungsschiff der DSR-Lines hauptsächlich auf der Linie Rostock-Cuba oder Rostock- Mexico. Wir hatten als Ladung Landmaschinen und Traktoren an Bord und betätigten uns also als Embargobrecher gegen die USA.
Wir brauchten etwa 14 Tage für die Überfahrt über den großen Teich in die Karibik. Das Wetter auf der Hinreise war ganz ordentlich durchwachsen. Da es im „Fahrstuhl“ im E-Deck aber immer ziemlich stickig war, da wir das Bullay nicht öffnen durften, wegen der Gefahr eines größeren Wassereinbruches, ging ich manche warme Nacht auf den Lukendeckeln schlafen, ohne dass mich die Wachen von der Brücke sichten konnten. An einen dieser lauen Sommernächte auf See lernte ich die berühmten fliegenden Fische kennen. Die kleinen Fischlein flogen aus den Bugwellen zeitweise so hoch, dass sie auf dem Deck landeten und ich sie mir in Ruhe anschauen konnte. Manchmal hatten sie Glück und entkamen wieder durch die Speigatten. Wie gesagt in der Nordsee und dem englischen Kanal war´s ganz schön zugig und viel besser präsentierte sich die Biskaya auch nicht. Erst als wir die Azoren hinter uns gelassen hatten, wurde es wettermäßig richtig gemütlich und wir haben es vor stickigen Mief in unserem Fahrstuhl nicht mehr ausgehalten.
Anderseits konnte man nachts auf den Lukendeckeln auf dem Rücken liegend so schön über Raum und Zeit sinnieren. Ein einzigartiger klarer Sternenhimmel schwenkte im Tankt der langen atlantischen Dünung von steuerbord nach backbord und wieder zurück. An einen dieser lauen Atlantiknächte erzählte uns Bootsmann „Goldfinger“ interessante Storys von Cuba aus den Jahren Anfang der Sechziger, als die berühmten Bars und Kneipen in Havanna aus der Zeit Al Capones noch nicht dichtgemacht waren und Fidel und seine Revolutionäre noch nicht die Zeit gefunden hatten, die Nutten aus dem Hotel “ Habana Libre“ zum Subottnik in das Zuckerohr zu jagen. Wir haben manchmal ganz schön heiße Ohren bekommen, von dem was wir da so hörten von dem prallen Leben außerhalb unserer größten DDR. Karli unser Löffelschnitzer aus dem Erzgebirge war in der Biskaya kurz vor dem Abnippeln. Er hatte mental schon sein Testament gemacht und mir sein neues Fahrrad vermacht, das ihm seine Leute letztes Weihnachten zukommen ließen, falls er diese Reise nicht überleben sollte, was zu diesem Zeitpunkt fast so aussah, denn so eine ungesunde grüne Gesichtsfarbe hatte ich bis dahin noch nie gesehen. Bootsmann Goldfinger ließ aber Seekrankheit nicht als echte Krankheit durchgehen und meinte, das beste Gegenmittel sei harte körperliche Arbeit . Außerdem gab er uns armen jungen angehenden Seeleuten, denen noch keine richtigen Seebeine gewachsen waren und deren Innenohrgleichgewich
tsorgan noch nicht mitbekommen hatte dass sein Träger sich auf permanent schwankenden Schiffsplanken herumtaumelnd vorwärts bewegt , den wohlmeinenden Rat, immer zur Leeseite zu kotzen und dann wenn der braune Ring erscheint, diesen wieder hinter zu schlucken, weil dieser das Arschloch ist. „Mahlzeit Jungens“, meinte er dann nach diesen Ansprachen und verabschiedete sich dann Richtung Messe.
Das Essen an Bord war übrigens ausgezeichnet und gehaltvoller als an Land und je mehr Jungens durch die Seekrankheit keinen Appetit mehr verspürten, desto mehr konnten die schon „Seefesten“ zu den Mahlzeiten reinhauen. Micha gehörte zum Glück zu den Letzteren. Deshalb prägte sich der neue Weckruf allmorgendlich „Reise, Reise Seemann, Backen und Banken“, was für Landratten soviel wie: „ Raus aus der Koje, das Frühstück ist angerichtet“ heißt, sehr gut ein.
Wir hatten theoretischen und praktischen Unterricht an Bord und am Seemannssonntag (Donnerstag) und vor den Landeier- Sonntagen wurde durch die Stifte Reinschiff gemacht und bei der Gelegenheit konnte man mal
schauen, wie auf dem A-Deck der Kapitän und seine Offiziers-Crew so wohnten und sich auf den mit Fluor gekühlten Deck etwas abkühlen.
Das Bullay unserer Kammer am Bug war bei schwerer See meist unter Wasser, so dass wir in unserem etwas sauer stinkendem Kabuff meist als U-Boot fuhren.
An einem schönen Sonntag inmitten des Atlantiks süd- westlich der Azoren nahmen wir unseren Mut zusammen und kloppten das Ding auf, obwohl uns dies strikt untersagt war. Wir hatten nämlich Delphine gesichtet und die wollten wir uns aus der Nähe anschauen. Die Tiere spielten mit der Bugwelle und schwammen mühelos vor dem Schiff her, das etwa 12-15 Knoten lief. Manchmal kam die See so dicht an das geöffnete Bullay heran, dass man die Delphine fast berühren konnte, so zutraulich und verspielt waren sie. Es war einfach überwältigend. Nach etlichen Tagen Überfahrt gen Westen und mehreren Zeitumstellungen sahen wir das erste Mal bei den Bermudas Land und konnten ohne Fernglas die Flugzeuge von den beliebten Ferieninseln starten und landen sehen.
Dann einen Tag später ließen wir die Bahamas an Steuerbordseite liegen und wussten nun, dass wir bald angekommen waren. Als wir dann irgendwann Florida steuerbord querab hatten, gab uns einer der Matrosen der Stammbesatzung ein Fernglas und sein Radio, so dass wir der Stimme Amerikas lauschen konnten. Wir waren nach fast 14 Tagen Radio Abstinenz schwer von den reißerischen Ansagen der Hits durch den Ansager beeindruckt. Der Kerl konnte so schnell wie Dieter Thomas Heck sprechen und die heißen Rhythmen der Sechziger dröhnten aus dem Lautsprecher. Durch das Fernglas konnten wir die Florida vor gelagerten Inselchen, die durch lange Brücken miteinander verbunden sind und deren Straßenverbindung bis zu den Florida Kays im Süden der Halbinsel bis nach Kay West verlaufen, sehen.
Ab und zu kreuzten uns auch Segler, die sich mit leichtem Erschauern einen echten „Kommunistendampfer“ mal aus der Nähe ansehen wollten und dann achteraus wieder im morgendlichen Dunst verschwanden.
Dann war es endlich soweit und wir sichteten Cuba am Horizont. Am gleichen Tag früh Sieben Uhr liefen wir auf Außenreede von La Habana ein und warfen erst einmal den Haken weg. Vom Peildeck konnte die Skyline von Havanna im Morgendunst bewundert werden. Nach einiger Wartezeit stieg der Lotse auf und wir machten auf Innenreede fest. Auf Innenreede warteten wir etwa 14 Tage in größter Affenhitze um die 34 Grad Celsius auf einen Kailiegeplatz. Das war alles schon ziemlich gewöhnungsbedürftig für uns mitteleuropäische Bürschchen aus den gemäßigten Breiten, die bis dahin kaum aus ihrer heimatlichen Kuhbläke herausgekommen waren. So war es für uns alle eine Erlösung, als eines Tages mit Hilfe eines altersschwachen Schleppers zum Kai verholt wurde und mit eigenem Ladegeschirr die Landmaschinen ausgeladen wurden. Das Ladegeschirr an der Pier musste noch aus der Zeit der Befreiungskriege unter Jose Marti stammen, es war technisch nicht in der Lage, einen Traktor zu heben. Mittlerweile schrieben wir Monat September.
Viel interessanter für uns gestalteten sich jedoch unsere ersten Langgänge. Wir bekamen Instruktionen nicht allein an Land herumzuturnen, sondern nur in Truppe zu bewegen. Weiterhin sollten wir den Kubanern nicht die wenigen Nahrungsmittel, die es ohne Bezugschein gab, wegkaufen. Von den Getränken wurde nicht gesprochen. Die Seelords schärften uns ein, dass wir nichts im Hotel „Habana Libre zu suchen hätten, dies wäre ihr Revier. Da wir Lehrstifte sowieso 22:00 Uhr wieder an Bord zu sein hatten, mussten sie sich zu diesem Thema keine Gedanken machen, denn das wahre Leben in La Habana ging eh erst nach Sonnenuntergang richtig los, denn dann konnte man die Temperaturen genießen.
Wir bekamen einen Landgangsschein und warfen gegen übermäßiges Transpirieren und Austrocknen Salztabletten ein. Wir hatten einen „Zwangspeso“ gegen 4,20 DM oder einen US $ eintauschen müssen. Der Rest wurde über die Tauschwährung „Cigarettes“ eingechinscht. Die Seelords hatten uns über die üblichen Wechselkurse auf dem Schwarzmarkt informiert und uns eingeschärft, dass wir nicht die Preise versauen sollten. Dann wurde uns noch eingeschärft, dass wir uns ums Verrecken nicht vom kubanischen Zoll beim Schmuggeln erwischen lassen sollten. Sollten wir doch vom Zoll hochgezogen werden, war der Landgang bis zur Abreise gestrichen. So machten wir uns feingemacht jeder mit einer Schachtel Zigaretten von Bord und waren gespannt auf das, was uns an Land erwartete. Das erste was uns am Hafentor erwartete, war wie gesagt der scharfe kubanische Zöllner, ausgerüstet mit einem Cold, der bestimmt schon den Sturm auf die Moncada mitgemacht hatte und mit dem er mühelos jemand erschlagen konnte, so gewaltig war das Schießeisen. Einige von uns, wahrscheinlich die mit dem Pokerface, wurden permanent gefilzt. Es machten üble Geschichten die Runde. So zum Beispiel, das einige Jungens sich einer Ganzkörpervisitation unterziehen mussten und ihnen dabei auch in den Achtersteven geleuchtet wurde auf der Suche nach versteckten wertvollen Silberpesos aus den Dreißigern.
Wir nahmen das ganze als Jux und verscherbelten an Land als erstes unsere transitfrei erworbenen Zigaretten zu horrenden Pesopreisen. Wir konnten zu dem Zeitpunkt noch gar nicht begreifen, warum im Land der Havanna-Zigarren, die Zigaretten so teuer waren. Pesos hatten wir also genügend in der Tasche, nur zu kaufen gab es dafür nicht allzu viel. Wir zogen meistens in“ Sloppy Joes Bar“ ein und verjubelten dort unseren neu erworbenen Reichtum. Das „Sloppy Joe“ war in seinen besten Zeiten durch Hemingway berühmt geworden. Der nahm dort immer seine Drinks und hat wohl in der Destille auch an seinem berühmten Roman“ Der alte Mann und das Meer“ geschrieben. Ihm zu Ehren wurde der Stuhl, auf dem er immer Platz nahm, mit einem Seil an die Decke gezogen, so dass sich nach seinem Tod kein normal Sterblicher mehr seinen Hintern darauf breit sitzen sollte. Hier sollte sich einmal der Welt längster Tresen befunden haben zu Zeiten als Havanna für die Amis noch eine einzige Bar mit Bordellbetrieb war.
Viel war leider nicht mehr übrig geblieben von der einstigen beschriebenen Herrlichkeit in Havanna.
Wir trafen in Havanna und Umgebung zwei Sorten Leute. In Havanna welche, die auch mal auf Fidel und seine Revolutionäre schimpften, weil sie jetzt keine neuen amerikanischen Straßenkreuzer mehr fahren konnten und kaum noch Kneipen offen waren.
Auf dem platten Lande gab es aber auch eine Menge Leute, die das Che-Bild im Wohnzimmer hingen hatten und auf Fidel nichts kommen ließen. Wirtschaftlich ging es den Leuten nicht gerade rosig. Sie hatte zu essen. Das Gesundheits- und Bildungswesen war gut entwickelt. Kleidung und hochwertige Konsumgüter gab es nur gegen Bezugsschein, die in den wenigen Fabriken oder den Zuckerrohrkollektive
n verteilt wurden. Wie gesagt, war es das Jahr 12 nach der Revolution und auch Folge des jahrelangen US-
Wirtschaftsembargos gegen die Insel. Gastfreundlich waren die Cubaner aber sehr, das sollten wir am Strand von Varadero noch selbst erleben dürfen.
Also wir 6 Mann hoch rein zu „Sloppy Joe“ und an den Tresen in der Nähe von Hemingways Museumsecke. Als der Barkeeper mitbekam, dass wir Alemanos waren, ging die Post ab in dem Laden. Mangels anderer käuflicher Dinge setzten wir unser frisch erworbenen Pesos in Lemoneisdrinks, Cuba Libre, und Hemingwaydrinks um. Hartmut aus Hoyerswerda im Lausitzer Kohlenpott hatte es irgendwie geschafft, eine ganze Stange Zigaretten am Zoll vorbei zu Pesos umzurubeln. Vor Freude über den gelungenen Coup hielt er die ganze Stampe eine Stunde lang frei. Sofort hatten wir alle Habaneros in dem Laden zum Freunde und sie schrieen vor Begeisterung auf spanisch und englisch auf uns ein und hauten uns pausenlos auf die Schultern und soffen mit uns auf die cubanisch – deutschen Freundschaft und den Sieg der Revolution. Wir bekamen soviel mit, dass wir die besten Alemanos auf dem ganzen Erdball waren und versoffen unsere gesamte Barschaft an dem Nachmittag. Der Barkeeper kreierte uns einen neuen Drink nach dem anderen, immer mit dem Hinweis, dass es das Gebräu original nach dem Rezept von Ernesto Hemingway mixt. Da wir Lehrstifte um 22:00 Uhr an Bord zu sein hatten, mussten wir uns gegen 21:00 Uhr vom Tresen losreißen. Wir lagen uns mit den begeisterten Habaneros in den Armen nahmen den letzten Absacker und wanderten dann Richtung Hafen. Auf dem Malecon, der Prachtstraße Havannas wehte zum Glück von See her immer eine frische Briese, die uns halbwegs wieder ausnüchterte. Volltrunkenen Zustandes durften wir nicht an Bord erscheinen, dies hätte unweigerlich eine Landgangssperre nach sich gezogen. Mit mehr oder weniger ondulierten Gang und völlig mittellos sind wir am Zoll vorbei durch das Hafentor und erklommen dann die Gangway. Mit einem Gefühl gewisser Leichtigkeit ließen wir uns in die Kojen fallen, die sich zu unserer Verwunderung dann zu drehen anfingen. Ob dem einen oder anderen die in Rum eingelegten Lemonen wieder aus dem Gesicht gefallen sind, ist nicht überliefert. Auf alle Fälle ließ man uns danach an anderen Tagen wieder auf die kubanische Menschheit wieder los.
Eines schönen Sonntags wollten wir zu Viert von Havanna nach Varadero trampen, um ein kühles Bad zu nehmen. Kurz hinter Havanna hat ein klappriger Buik aus den Fünfzigern gehalten und hat uns alle 4 eingesammelt. Es war einfach fast nicht zu glauben: Wir mussten von innen die Türen zuhalten und die Schüssel schliff fast auf dem Bodenblech, das löchrig wie ein Sieb war. Aber unser Kutscher war guter Dinge, daß wir es bis nach Varadero schaffen. Ganz hat es dann die überladene alte Amimühle dann doch nicht geschafft und wir stiegen kurz vor Varadero aus.
In den Außenbezirken von Varadero kurz hinter dem Strand wanderten wir durch eine verlassene ehemalige Bungalowsiedlung der Amerikaner. Man konnte noch den etwas verblassten Charme der Rattanmöbel der ehemaligen Besitzer bewundern. In einem der Gärten kam einer von uns auf die Idee, eine reife Kokosnus vom Baum holen zu wollen. Das war aber nicht so eine tolle Idee. Denn als wir ans Werk gehen wollten, waren wir von 2 mit Riesencolds bewaffneten Carabineros umstellt, die unvermittelt aus dem Nichts auftauchten. Als sie mitbekamen, dass wir kein Wort spanisch sprachen und wir uns als deutsche Seeleute aus RDA ausweisen konnten, ließen sie uns laufen, mit den Hinweis, in ihrer Nähe nicht wieder aufzutauchen.
Am Strand von Varadero wurden wir Zeugen einer Betriebsfeier einer Zigarrenfabrik und die freundlichen Leute luden uns zum Mitfeiern ein. Man muss sich das einmal vorstellen, wir waren für die Arbeiter Wildfremde und die luden uns zu ihrem eisgekühltem Bier bei ca. 30 Grad C Außentemperatur und brennenden Planeten ein. Die Gastfreundschaft hat uns so überwältigt, dass wir an die Jungs und Mädels alle unseren verfügbaren Zigarettenvorräte verschenkten.
Wir bekamen bei der Gelegenheit mit, dass in dem warmen Wasser junge Pärchen eng umschlungen im Wasser standen. Wir wurden aufgeklärt, dass dem einen oder anderen Pärchen vor Wohllust schon mal die Hosen fehlten und La Amore trieben. Wir waren beeindruckt, denn in unseren nördlichen Breiten war derartiges in der doch etwas kühleren Ostsee selten möglich.
Einmal hat es zum Gaudi der Einheimischen ein Sportfest der gesamten Lehrlingsbesatzung der Fichte gegeben. Immerhin etwa hundert junge Leute mit ihren Ausbildern. Wir rannten am Spanischem Platz um das Weiße Haus von Havanna herum. Ich weiß noch wie uns einige Einheimische anschauten, als ob wir nicht ganz koscher seien, bei Außentemperaturen von 33 Grad C und praller Sonneneinstrahlung auf den Straßen herumzuhetzen. Mit dem nachfolgenden Fußballspiel auf einem Rasenbolzplatz konnten die zuschauenden Kinder schon mehr anfangen und wir wurden lautstark auf spanisch angefeuert. Neu war für uns, dass ziemlich große Winkerkrabben, die aus kleinen Erdhöhlen in der Wiese gekrochen kamen, uns zwischen den Füßen herumwuselten und wir aufpassen mussten, dass wir nicht auf das Getier traten.
Bei einem weiteren Badeausflug lernten wir in Varadero einen jungen Mann kennen, der Porzellanmuscheln, Seesterne und allerlei mit Formalin präpariertes Meeresgetier in seiner Wohnung sammelte und an uns verkaufte. Er hatte nach eigenen Angaben die beachtliche Sammlung allein nur mit Schnorchel und Brille aus der Tiefe hoch getaucht. Bei dieser Gelegenheit wurde ich auch das Kleidchen meiner Schwester los und nannte dann ein paar schöne Seesterne, Porzellanmuscheln und einen präparierten Hummer mein eigen. Leider mussten wir das ganze Zeug auf der Rückreise wieder in die See befördern, da wir einen Tag vor Ankunft Rostock vom Medizinischen Dienst des Verkehrswesens einen Funkspruch mit der Nachricht erhielten, dass in unserer Hafenliegezeit auf Cuba die Schweinepest ausgebrochen war und wir auf Warnemünde Reede erst mal alle in Quarantäne gehen sollten. Wir waren begeistert, dass wir nach fast 3-monatiger Reise noch eine Woche auf Reede vor Warnemünde herumliegen. mussten. Aber dazu noch später.
Irgendwann nach einer Woche hatten die Schauerleute die Landmaschinen entladen und unsere Ladeluken wurden nach der chinesischen Methode mit Zuckersäcken beladen. Interessant war das letzte Ladegut- vornehm in Holzkisten verpackte Original Cuba Rum-Bottles garantiert 6 Jahre abgelagert und mit etwa 70 Umdrehungen. Als ein baumlanger Farbiger das Ladegeschirr bediente, ging ganz zufällig die letzte Hiev parterre und einige Holkisten zu Bruch. Die Schauerleute boten uns den weißen Rum unverdünnt an und da wir nicht kneifen wollten, nahmen wir mit unseren kubanischen Brüdern im Kabelgatt einige Schlückchen. Für den Rest des Tages waren wir nicht mehr zu gebrauchen und schliefen unseren Rauch in der untersten Ecke des Kabelgatts, wo auch der Klabautermann selten vorbeikommt, unseren Rausch aus. Nach 4 Wochen in Havanna traten wir mit Zucker und edlem Rum beladen die Rückreise nach Rostock an.
Über die Rückreise ist nur soviel zu berichten, dass wir Stifte aus den beiden Abiturklassen, da wir das 18 Lebensjahr schon überschritten hatten, mit zu den Brückenwachen eingeteilt wurden. Zu einem späteren Zeitpunkt sollte uns ein Licht aufgehen, warum dies so war. Neben einem „Vollmatrosen“, der uns in die Pflichten eines Ruder- und Wachgängers auf der Brücke einweihte, gingen wir dann erstmalig nach dem sog. englischen Törn als zusätzliche Wachgänger die Hundewache( die 04)- und die 4-8-und 8-12-Wachen. Micha war einer der Ersten, der als Vollmatrosenlehrling an dem riesigen Steuerrad, welches die Brücke auf der Fichte damals noch zierte, drehen durfte. Ich weiß noch, dass ich stolz wie ein Spanier hinter dem Ding stand und beeindruckt war, wie der große Pott mit Hydraulikunterstützu
ng auf jede Drehung am Steuerrad gut reagierte. Der Kurs war Sache des diensthabenden Offiziers, der jede Kursänderung deutlich mit starker Kommandostimme ansagte. Der Rudergänger hatte den Kurs zu bestätigen und danach auszuführen und die Ausführung zum neuen Kurs wiederum anzusagen. Der Vorteil des Wacheschiebens war für uns Frischlinge auch, dass wir nach den Wachen in der Mannschaftsmesse von Stewardessen bedient wurden. Das waren alles nette junge Frauen, die aber schon alle in festen Händen waren. Dies war auch ziemlich wichtig auf einem Kahn voller Testosteron- schwangerer geiler junger Kerle.
Der Kapitän entschied sich auf der Rückreise für den Nordkurs zwischen den Orkney-Inseln hindurch und an der schottischen Küste oben herum. Das hat uns zwar noch einmal ganz schön durchgeschüttelt bei den Herbststürmen in dieser Gegend, aber wir wurden vom satten grünen Anblick der landschaftlichen schönen Inselwelt entschädigt. Irgendjemand von den Alten hatte mir mal von Scapa Flow berichtet und das Ende der kaiserlichen Flotte nach dem 1. Weltkrieg und von dem Husarenstück von Kapitänleutnant Prien im 2 WK, der mit dem U-Boot in den stark gesicherten Hafen hineinkam und den Engländern schwere Verluste zufügte.
Wieder zu Hause vor Warnemünde kamen wir in Quarantäne, zogen achtern die gelbe Pestflagge hoch, warfen unserer tierischen Mitbringsel über Bord und wurden dann noch von den Medizinern an der Pier in Rostock desinfiziert .Eine Woche durfte wegen der kubanischen Schweinepest keine Sau von Bord. Bevor wir in den Heimaturlaub entlassen wurden, wir schrieben inzwischen Oktober 71, wurde uns die Ehre des Besuches des Generaldirektors Zimmermann zuteil. Er machte uns eine externe Lehre auf Basis der Erwachsenqualifizier
ung zum Vollmatrosen schmackhaft und fragte, ob wir zukünftig ordentlich Geld auf Produktionsschiffen verdienen wollten. Wir wollten natürlich alle und im November 71 heuerte ich als Decksmann auf dem Motortanker „AUE“ für stolze 360 Mark der DDR an. Die Reise ging nach Odessa Öl holen, aber das ist schon wieder eine andere Geschichte, in der ein verlustig gegangenes Seefahrtsbuch eine Rolle spielt und die ich später erzählen werde. Ahoi Euer Shantyman Micha
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