tofewolf
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Silvester und Neujahr auf See - 03/01/2011 17:12
Auch über den Ablauf der Tage Silvester und Neujahr wurde beraten. In unserer Bar sollte die Feier stattfinden, die wie immer, von den Pumpenleuten Klaus M und Klaus-Jürgen B, gemanagt wurde. Neujahr war für alle frei, bis auf die Wachen, am Morgen ist im Salon Frühschoppen. Der Salon, früher einmal Klubraum für die Offiziere, war ein sehr schöner Raum, mit Polstermöbeln ausgestattet und geeignet für alle möglichen Festivitäten, Feierlichkeiten, Partys, Versammlungen und dienstlichen Besprechungen. Hier wurden auch die meisten Pläne und Berichte für die einzelnen Organisationen und Kommissionen ausgeheckt und beschlossen. Was gab es da nicht alles: Schiffsrat, Konfliktkommission, Hygieneaktiv, Gewerkschaftsgruppe, Partei- und Jugendgruppe, Reservistenkollektiv und nicht zuletzt, das Frauenaktiv, bestehend aus den drei Stewardessen des Schiffes. Gesellschaftlich wurde hier sagenhaft getagt, geplant, beschlossen, abgerechnet und aus bestimmten Anlässen auch gefeiert. Da gab es den „Internationalen Frauentag“, 8. März, er wurde feierlich begangen. Am „Tag der Nationalen Volksarmee“, 1. März, tagte das Reservistenkollektiv feierlich und so gab es immer Anlässe, die zur Abwechslung des Bordalltags beitrugen. Ich hatte als Schiffs- Gewerkschafts-
Leitungsboss nebenbei über die finanziellen Mittel der Gewerkschaftskasse und des so genannten Kulturfonds Rechenschaft über verbrauchte Geldmittel abzulegen, die für solche Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden konnten. Gemeinsam mit dem Kapitän, wurde dann eine solche Reiseabrechnung niedergeschrieben, unterzeichnet und bei der großen Gewerkschaftsleitung der Reederei abgerechnet. Immerhin eine nebenberufliche Verantwortung, die ich stets gewissenhaft getragen habe, schließlich musste ja am Ende alles genau stimmen. Die Abrechnung gewisser Getränke durfte zwar nicht wortwörtlich auf dem Bericht erscheinen, weil, beispielsweise eine Flasche „Weinblattsiegel“, (WBS), als Preis für das Luftgewehrschießen, nicht ins Konzept der sozialistischen Menschenführung gepasst hätte. Hier wurde eben Bowle gemacht und schon klang die Bezeichnung niveauvoller und wurde gestattet.
Die Produkte wurden bei ihrer Auswahl im wahrsten Sinne des Wortes lediglich umgelagert und dann verbraucht. Da kamen Lebens- und Genussmittel aus der Kombüse auf die kalten Platten oder in die Bowle, wie auch Wein, Bier oder Sekt aus der Transitlast ebenso. Bücher als Preise gab es auch, aber hier konnte man schwer den Geschmack der Leser treffen.
In den Buchhandlungen in Rostock, wo ich zuweilen ein paar literarische Werke zu diesem Zweck einkaufte, fand man zu günstigen Preisen kaum Bücher, die unsere Leute begeistert hätte. Mitunter kamen auch Werbeartikel der Reederei als Preise zur Vergabe. Es gab da kleine Adressbücher in Kunstleder gebunden, Aschebecher, Tischwimpel, Vorratsdosen für Zigaretten mit Wappen der Deutfracht und anderes mehr. Es wurden auch Zehnmarkstücke mit Sonderprägung als Auszeichnungen oder Preise vergeben. Man sieht also, dass im kleinen Rahmen, Würdigungen und Auszeichnungen, an Bord unserer Schiffe ebenso stattfanden, wie an Land auch. Dort fielen vielleicht die Preise und die Feierlichkeiten wesentlich kostspieliger aus, wir sind aber auch ganz zufrieden gewesen, wenn ein Bordfest ein wenig Abwechslung in den eintönigen Alltag des Bordlebens gebracht hat. Man sollte nicht vergessen, dass die Ansprüche unserer damaligen Seeleute, trotz hoher Anforderungen mitunter auf See, eher als bescheiden einzuschätzen sind. Für unsere damalige Heuer, würde heute kein deutscher Seemann, mit einer soliden Ausbildung, mehr auf den Weltmeeren herumfahren. Trotzdem glaube ich, dass wir alle gern gefahren sind und dass wir mit unserer Berufung, bis auf einige extreme Ausnahmen, doch ganz zufrieden gewesen sind. Es ist kein leeres Geschwätz, wenn behauptet wird, dass ein Seemann, der ein paar Jahre an Bord gefahren ist, nie wieder ganz davon los kommt. Selbst jetzt im Rentenalter, hätte ich nicht übel Lust, noch einmal aufzusteigen und eine große Reise zu machen. Vor zwei Jahren habe ich auf einem Segelschulschiff einen Törn von Antwerpen über Aalborg nach Warnemünde mitgesegelt und was soll ich sagen, es war einfach unbeschreiblich schön, wieder einmal auf dem weiten Meer zu sein, Seeluft zu atmen, das Wiegen der Dünung zu verspüren und in Erinnerungen zu schwelgen. Selbst im warmen Maschinenraum, zwischen den Jockeln und den Hauptmaschinen, umgeben vom Geruch des Verbrannten Kraftstoffes und des heißen Schmieröls, fühlte ich mich zurückversetzt, in die Jahre meiner aktiven Fahrenszeit.
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