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Saturday, 23. November 2024
   
Robert Kuehn

 
Weihnachtsgeschichte - 11/12/2009 11:32 Friede auf Erden

…und den Menschen ein Wohlgefallen


Nikolas war als junger Kerl gern zur See gefahren. Da war die Welt an Bord und an Land noch in Ordnung. Gerade wo es interessant war lagen die Schiffe manchmal wochenlang in den Häfen. Kurz: es war eine Wonne, zur See zu fahren. Der Abschied von zu Haus fiel ihm nicht schwer; eine Freundin, die wegen des Abschieds heulen würde, hatte er nicht.

Dann hatte er eine Freundin, die Maria. Gut, der Abschied bedrückte ihn, aber die Aussicht auf Schiff, Meer und gute Kameradschaft machte ihm den Abschied dann doch leicht, leichter als seiner Maria. Sie hat nie geschrieben, wie sehr sie unter dem Abschied gelitten hat. Nach einigen Tagen glaubte sie, die Trauer des Abschieds überwunden zu haben, freute sich auf jeden Brief, auf jedes Gespräch von See.

Sie haben geheiratet und Nikolas hat, wie es die meisten Seeleute tun versprochen, „baldmöglichst" an Land zu gehen. Und wie es viele (die meisten ?) Seeleute tun, konnte er sich nicht entschließen, sein Versprechen einzulösen.

Er fuhr also weiter zur See, nahm den Schmerz des Abschieds auf sich und verdrängte das Wissen um den Abschiedsschmerz seiner Frau. Es war schon wenige Tage nach dem Auslaufen eine glückliche Zeit an Bord.

Ihre Tochter war ein Wunschkind. Nikolas hatte das Glück, gerade auf Urlaub zu sein als seine Maria niederkam. Er war in seine Tochter verliebt, trug sie stundenlang mit sich herum, sang ihr etwas vor, von dem er nicht wusste, was es war, nur, dass es die Lütte beruhigte und war glücklich, gelegentlich ihre Pampers wechseln zu dürfen.

Als den Eltern bewusst wurde, dass Nikolas‘ Urlaub in den nächsten Wochen zu Ende ging, zogen sie sich voreinander zurück. Nikolas‘ Liebe zu seiner Tochter lenkte ihn wohl vom nahenden Abschied ab, erzeugte in ihm aber eine unterschwellige Angst, als könnte er Frau und Kind verlieren.

Maria und Nikolas igelten sich ein, verbargen ihre Gefühle voreinander, und doch wusste jeder, wie es im Anderen aussah.

So verabschiedeten sie sich voneinander äußerlich so kalt, dass ein unbefangenen Beobachter frieren müsste

Das ging solange gut, wie die Lütte ihren Vater noch nicht bewusst wahrnahm. Sie musste ungefähr ein halbes Jahr alt gewesen sein, als Maria ihm nach dem Urlaub am Telefon sagte, dass die Lütte sich zum ersten Mal nach seinem Abschied verändert gezeigt hatte. Sie würde viel weinen, schliefe unruhig und sei ein schlechter Esser geworden.

Nikolas war nach einer Woche wieder da, weil das Schiff wegen einer Kollision an die Werft musste. Nun lachte die Lütte, wie sie zuvor noch nie gelacht hatte wenn sie ihren Vater wiedersah , schlief ganz ruhig und aß gut. Nikolas war beruhigt. Nach kurzer Werftzeit ging das Schiff wieder nach See zu und das Kind benahm sich wieder wie nach der vorigen Trennung. Maria hat es dieses Mal weder geschrieben noch am Telefon gesagt. Die Lütte sei glücklich und zufrieden und würde sich prachtvoll entwickeln.

Der nächste Urlaub war ein gutes halbes Jahr später. Nikolas wurde Zeuge eines ungeheuren Wachstums, Zeuge täglicher Überraschungen, die alle Freude auslösten, zu der ein Mensch fähig ist. Die Lütte entwickelte eine so innige Zuneigung, eine Liebe zu ihrem Vater, dass ihm schon beim Gedanken an den Abschied tief im Innern unwohl wurde.

Die Eltern überlegten, ob sie dem Kind den Abschiedsschmerz zumuten wollten oder ob Nikolas heimlich verschwinden sollte.

Sie spielten also Theater und sprachen in Gegenwart des Kindes nicht vom nahenden Abschied. Nikolas hat hat sich dann, als die Lütte schlief ohne Abschied aus dem Haus geschlichen. Ihm war nicht wohl. Er kannte seine Tochter inzwischen so gut, dass die Rechnung nicht aufgehen würde: sein Entschluss, heimlich zu verschwinden würde die Lütte tief treffen.

Diese Erkenntnis und die seiner Schuld hat ihn die ganze Reise nicht verlassen. Maria hat darüber nichts geschrieben. Nikolas dachte einmal: „Sie will mich nur schonen!"

Er kam mit einem Kollegen ins Gespräch. Jeder Seemann, der Vater war hatte mit diesen Schuldgefühlen, den Selbstzweifeln zu tun gehabt. Der Kollege meinte, ihn zu beruhigen : „Damit lernst du im Laufe der Jahre umzugehen!" Er lachte auf eine hintergründige Weise: „Dann hast du einen Betonblock im Bauch, der dich vorm Wahnsinn schützt!"

Das Gespräch hatte Nikolas ruhiger gemacht und er spürte tatsächlich, dass ihn irgend etwas vor der Trauer und dem Absturz bewahrte. Die Abwesenheit von Trauer empfand er nach einigen Tagen als unheimlich. „Liebst du deine Familie nicht mehr? War deine Liebe zu Frau und Kind nur Einbildung gewesen ?" Seine Liebe zu Frau und Kind vertrug sich einfach mit dem Betonblock im Bauch nicht. Er wollte die Liebe zu Frau und Kind wieder spüren, die Trauer zulassen.

Er wusste nun, dass er die Trauer und den Abschiedsschmerz auf Dauer nicht ertragen würde. Immer häufiger beschäftigte er sich mit dem Gedanken, an Land zu gehen. Und dieser Gedanke tröstete ihn und er empfand es, als würde ihm ein Stück der Schuld genommen.

Ein letztes Mal packte ihn der Schmerz, als er ein Jahr später, wieder gegen seinen Willen, wie ein Dieb vor seiner Tochter aus dem Haus flüchtete . Kurz nach dem Auslaufen rief er zu Hause an. In die Stimme seiner Frau mischte sich eine herzzerreißende Kinderstimme . Er glaubte, abzustürzen, und es hat eine ganze Weile gedauert bis er wieder auf den Beinen stand.

Er tat seinen Dienst, wie es von ihm verlangt wurde, zog sich aber völlig zurück. Dass er beobachtet wurde wusste er. An Bord beobachtete jeder jeden. Er reagierte mit Zurückweisung auch dann, wenn sich ein Kollege ihm freundschaftlich und hilfreich näherte.

Im September klappte er zusammen, musste ins Krankenhaus in Westafrika und wurde, als sein Zustand wieder stabil war, mit dem Flugzeug nach Haus geschickt.

Lange Wochen hindurch hat ihn die Lütte, jedes Mal wenn er aus dem Haus ging , ängstlich gefragt: „Kommst du auch wieder ?" Und jedesmal wurde Nikolas an seine heimlichen Fluchten erinnert, die er sich nie verzeihen konnte.

Seit dem vierten Advent war es mit einem Mal damit vorbei. Nun konnte Weihnachten werden.

Robert R. Kühn

Weihnachten 2009
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Gerhard Ziem

 
Re:Weihnachtsgeschichte - 29/11/2012 23:22 Am 24.Heiligabend kam der Chiefmate an Deck und ver-
kündete salbungsvoll um 14h ist Feierabend. Für uns
hieß das, nach dem Mittagessen werden noch die Pinsel
und Rollen sauber gemacht und dann ist Schicht.
Zum Abendessen hatten die ersten schon einen recht
glasigen Blick. Mein Gott war das eine schöne Zeit
auf den Stückgutfrachtern.


Gemeinsame Erinnerungen sind manchmal die besten
Friedensstifter.
M.Proust
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Ingo Rossignol

 
Re:Weihnachtsgeschichte - 30/11/2012 09:36 1971-73, Funker in der Volksmarine, 6. Flottille, Warnemünde, MSR 342, unter Kapitänleutnant Pötsch ( Ein fairer Kommandant, von altem Schrot uns Korn)
Was sich ja heute keiner mehr vorstellen oder wünschen kann: Drei Weihnachten und Sylvester an Bord eines MSR! Mit ein bisschen Glück mal einen Landgang, aber Urlaub keinen. Das galt übrigens genauso hart, für die Bordoffiziere… der BBU (Böse Bonner Ultra) hätte ja versuchen können, uns seine Weihnachtsschokolade an Bord zu werfen!
Also galt es mit den Bordmitteln, eine ordentliche Weihnachtsfeier zu organisieren.
An gutem Essen mangelte es uns nicht bei der Marine. Außerdem hatten wir von der Patenstadt Jüterbog zum Fest immer ein Schwein in Gläsern verwurstet zur Verfügung. Sehr lecker!
Als Funker übernahm ich die Rolle des „Geheimnisträgers“ und sammelte all die schönen Sachen, die eine kleine Hand voll Matrosen und Maate, in den zurückliegen Monaten so organisiert hatten. Dabei handelte es sich weniger um Geschenke – die auch - sondern um Mitteilungen an die Mannschaft. Wir schrieben die Frauen, Freundinnen und Familie an, sie mögen uns doch bitte etwas auf Band sprechen, singen oder zusammenschneiden, was eine ganz persönliche Ansage an die Herzen der Mannschaft sein könnte und natürlich ihren Liebsten anspricht. Mein Funkschap wurde zur Weihnachtsmannstube! In nächtelanger Arbeit setzten wir dann das Bänder-Puzzle auf unserem B-54 Tonband zusammen und bekamen so immer eine ordentliche Weihnachtssendung. Über den Bordfunk wurde das dann am Heiligabend in gemütlicher Runde in der Messe abgespielt. Ich moderierte, sprach den zu beschenkenden und anschließend „Betroffenen“ an und dann gab es, nach den Geschenken, was auf die Ohren und vor allem was für die Seele!
Leute, Leute, sag ich euch nur und ihr werdet wissen wovon ich schreibe! Das waren Volltreffer, wenn die Freundin ihre Ansage machte, oder die liebe Oma… Wir haben „Bären“ heulen und zusammenbrechen gesehen… Es war ein Fest der Tränen und der unglaublichen Freude, dass sich „welche“ gekümmert hatten. Es waren Sprüche dabei, die sehr persönlich gehalten waren und so, nun in der Öffentlichkeit, für ausdauernde Heiterkeit sorgten.
Nie gehörte Spitznamen zerstörten Karrieren! Na ja, nicht ganz, aber sie ließen den Menschen in einem anderen Licht erscheinen. Der Dienst an Bord war ja nicht überall durch Menschlichkeit gekennzeichnet. – Der hatte ja auch eine Familie und Freunde und war nicht nur „Der Arsch“, der einen triezte.
Das erste Jahr bekam ich auch ein Paket, ein großes und schweres! Meine Eltern hatten an mich gedacht und an die anderen der Mannschaft auch! In dem Paket steckten reichlich Überraschungen, die mir meine gesamte Dienstzeit anhingen.
Die erste Lage war noch nicht der Brüller – Socken und wärmende Unterwäsche. Aber dann! Ein selbstgebackenes Speckbrot, was ich zum Glück nicht gleich aufteilte! Es enthielt nämlich eine kleine Flasche Kräuterschnaps! Und das von meinen Eltern!
Dann gab es Äpfel und Apfelsinen für alle, mal in Silberpapier eingewickelt, mal pur, die ich gleich in die Runde warf. Noch bevor ich alle verteilt habe, erklang ein Ruf: „Eh, das ist ja ne Kartoffel!“ Ja, meine Eltern hatten ein Scherzpaket gepackt. Das kommt davon, wenn man zu Hause erzählt, das Essen ist unzureichend! Und wenn man jammert, dass es kalt an Bord ist. Die untere Lage in dem Paket bestand nämlich aus, in Silberpapier eingewickelten „Rekord“-Briketts. Den Spott konnte ich gut vertragen!
Das es uns trotz aller Kontrollen natürlich gelungen war, ausreichend „Suff“ an Bord zu schmuggeln, versteht sich von selbst. Unser Bergmann versorgte uns mit Deputat! Dazu die Club-Cola, dass reichte, um sich diese Tage schön zu trinken.
Heute, nach 40 Jahren, sind diese Ereignisse natürlich verklärt. Das Schöne ist hängen geblieben, den Rest verdrängt Mann!
Frohe Weihnacht allen da draußen und zu Hause
Schiffsführer Ingo
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Heiner Volkers

 
Re:Weihnachtsgeschichte - 30/11/2012 09:57 Jedes Jahr zu Weihnachten bekomme ich
vom ehem. 2.Ing. ein Gedicht als Weihnachtsgruß.
Diesen möchte ich weitergeben,auch wenn es nicht so feierlich ist.
Vielleicht kann der eine u.andere darüber schmunzeln.
frohe Festtage

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Matthias Schramm

 
Re:Weihnachtsgeschichte - 30/11/2012 15:59 Herzliche Weihnachtsgrüße allen noch fahrenden Seeleuten in aller Welt und speziell ehemaligen der Deutracht / Seereederei Rostock.
Es wünscht dies der "alte" Seemann Matthias aus Thüringen.
Meine Seefahrt begann 1974 mit dreijähriger Lehre beim VEB DSR.
Anschließend fuhr ich etwa noch 12 Jahre und gedenke natürlich heute noch sehr gern an diese Zeit. Diese möchte ich heute sogar als beste Zeit bezeichnen... Wir fuhren mit MS Fichte (zufällig mit Fernseh - Crew) über Schweden,Trinidad &Tobago nach Cuba.
Die Reise war natürlich ein Erlebnis !!! Erstes Schiff , erster Landgang und dann noch die DEFA -Leute...
Noch heute kann man bei "Zur See" Filmschnitte dieser Abenteuerfahrt sehen, da auf Rücktour noch Mexico und kurz Jamaica angelaufen wurde. Bei all diesen Erinnerungen denke ich auch daran, dass wir damals am 24.12.1974 an einem Strand nah Havanna baden waren um Muscheln zu tauchen.Man bedenke Weihnachten...baden bei ca. 25°C Wassertemperatur im der Karibik !!!
Für noch jung Hein-Seemann ein bleibendes Erlebnis...
Geblieben ist die Erinnerung an Zusammenhalt, Spaß an der Arbeit und schöne Zeiten - egal wie auch das Wetter war.
Diese Schule des echten Lebens kann einem heute keiner nehmen...
Es lebe die Seefahrt !!! auch wenn sich leider vieles geändert hat...

Matthias aus Erfurt
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Gerhard C. Franken

 
Re:Weihnachtsgeschichte - 01/12/2012 18:19 Waren mit der Cap Matapan so um 1971 rum unterwegs auf Trampfahrt und mußten in Nuakchot Zutaten für die Weihnachtsbäckerei besorgen. Bin einen Tag lang mit dem Funker durch die Lande gezogen, ich mit ein wenig Hotelfranzösisch und spanisch und er englisch. Ganz am Ende des Tages hatten wir dann Mandeln etc. gekauft. Heiligabend war dann einlaufen Bangkok bei Rinderfilet Wellington, einem Tannenbaum fast ohne Nadeln, vielen Tränen und einem fürchterlichen Besäufnis, aber tollen Wehnachtsplätzchen und selbstgemachtem Stollen.
Frohes Fest allen die immer noch zur See fahren und Heiligabend nicht zu Hause sein können.
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Blondie

 
Re:Weihnachtsgeschichte - 02/12/2012 10:18 Das erste Weihnachten auf See vergisst wahrscheinlich kaum ein Seemann, meines war 1976 auf der MS "Blankenstein" von Happag Lloyd. Ich war Mot.Helfer oder einfacher Reiniger. Zum Glück hatte ich bereits 6 Monate Erfahrung mit meinen Kollegen und kannte die meisten recht gut. Wir hatten schon zwei Turns Europa/ Zentralamerika hinter uns und ich war schon gut eingeführt. Und nun Weihnachten. Heiligabend brauchten wir tatsächlich einmal nur bis um 12:00Uhr in die Maschine und danach war Kammerstunde angesagt. Inklusive Vorglühen. Da der Storekeeper die ganze Zeit seine Runden machte, in jeder Kammer nach dem Rechten schaute und natürlich überall erst mal ein Bier und einen Kurzen bekam, war es kein Wunder, dass er einer der Ersten war, der dem Absturz noch vor dem Abendbrot nahe kam.
Steward und Stewardessen schmückten derweil auf etwas einfache Weise die Messen, wobei in der Offiziersmesse der Weihnachtsbaum stand. Fast kahl, da er bereits seit zwei Monaten im Kühlraum gelagert hatte, dafür aber mit Liebe und wenn ich mich recht erinnere, sogar mit Klopapier geschmückt. Es kann aber auch sein, dass wir ihn erst abends umdekoriert haben.
An diesem Abend durften tatsächlich auch einmal die Mannschaftsdienstgra de im Heiligtum der Offiziere essen und anschließend die Weihnachtsfeier abhalten. das wurde schon ganz schön eng und ich sah ein paar der Offiziere wirklich zum ersten Mal, vor allem aber die zwei mitreisenden Ehefrauen. Von der Stadt Blankenstein bekamen wir sagenhafte zwei Klappfahrräder geschenkt die den ganzen Abend für Unterhaltung sorgten, von denen wir uns aber auch fragten, wer auf das schmale Brett gekommen war, so etwas auf ein konventionelles Frachtschiff (Container gabs dergestalt noch nicht) zu schicken.
Der Höhepunkt an Heiligabend sollte aber die Übertragung der Grüße aus dem Heimathafen werden. Durch die Zeitverschiebung erst gegen Mitternacht. Da waren alle schon so blau, dass wohl nur der Kapitän und der Funker etwas davon mitbekamen. Trotzdem flossen bei einigen Kollegen, meist bei denen wo man es nie gedacht hätte, reichlich Tränen. Das waren meist die verheirateten, wohingegen die Junggesellen sich lieber dem Trunk ergaben.
Solange die Personalstärke, auf der Blankenstein 56 Mann, so groß war, lief eigentlich alle Jahre Weihnachten so ab. Erst später, mit den Containern, wurden wir mit dem Saufen etwas vorsichtiger.
Da bleibt mir heute nur noch für dieses jahr allen aktiven und inaktiven Seeleuten eine frohe Weihnacht zu wünschen. Ich bin inzwischen seit 20 Jahren an Land und rühre auch schon so lange keinen Alkohol mehr an. Weihnachten ist dadurch wesentlich schöner geworden.
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Jonny Engel

 
Weihnachten auf See - 13/12/2012 16:33 Weihnachten 1956 auf FD Boreas im Weissen Meer.

Zur Erinnerung an Kapitän Paul Manet und meinen Vater, Kapitän Jonny Engel (im Buscherump, damals Steuermann an Bord)

Gruß an alle ehemaligen und aktiven Fischermänner!

Jan Engel
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Jonny Engel

 
Weihnachten im Weissen Meer - 13/12/2012 16:39 Weihnachten 1956 auf FD Boreas im Weissen Meer

Zur Erinnerung an Kapitän Paul Manet (2. v. r.) und meinen Vater, Kapitän Jonny Engel (im Buscherump, hier als Steuermann)



Beste Grüße aus Finkenwerder an alle ehemaligen und aktiven Fischermänner!

Jan Engel
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Lothar Borbe

 
Re:Weihnachtsgeschichte - 16/12/2012 14:27 Lieber Norbert Panke,

Dein Aufruf zur Weihnachtsgeschichte hat auch mich mobilisiert. Alles liegt nun schon „soooo weit“ zurück. Ich will es dennoch versuchen, mich an einiges von damals zu erinnern, und ich beginne meine
Weihnachten auf See
Meine Seemannsweihnachten bei der DSR erlebte ich in der Zeit zwischen den Jahren
1957 und 1979. Die Erinnerungen daran sind vielfältig. Seemannsweihnachten gab es sowohl im Polargebiet als auch in tropischen Gefilden. Wenn man Glück hatte, lag man zum Fest in irgendeinem Hafen. Großes Glück hatten die Besatzungen, wenn ihr Schiff just zu den Weihnachtstagen in einem „christlichen“ Hafen lag. Dann herrschte wirklich Weihnachtsruhe ringsum.
Gelegentlich erwischte uns das Christkind bei einer Liegezeit im Heimathafen. Der größte Teil der Stammbesatzung konnte über die Festtage nach Hause fahren und Weihnachten in Familie feiern. Die verbliebene Besatzung, einschließlich der Springer, genoss vor allem die besondere Aufmerksamkeit der Kombüse. Echte Stimmung kam dann selten auf. Die an Bord Gebliebenen haderten mit der Situation, zwar in der Heimat, aber dennoch allein, nicht bei der Familie sein zu können. Ich holte in solcher Lage immer Frau und Kinder an Bord und genoss trotz Verantwortung Ruhe und Entspannung und die Freude über einen zusätzlichen „Freien Tag“ für Arbeit an einem Feiertag.
Einige außergewöhnliche See-Weihnachten sind mir im Gedächtnis geblieben. Einmal war ich bei Sturm und Seegang mit dem Dampfer THÄLMANN PIONIER im Mittelmeer.
Selbst der fest verzurrte Weihnachtsbaum riss aus seiner Verankerung und landete neben Radio und Fernseher auf dem Boden der Mannschaftsmesse. In jenem Jahr fiel Weihnachten aus. Das heißt, die Feier zu diesem Ereignis war einfach ausgefallen. Das besonders gute Festessen war der Kombüse dennoch gelungen und die reedereispezifischen Vergünstigungen für derartig herausragende Tage, Feiertagszulage und Freie Tage für die Wachgänger regneten auch bei extremsten Wetterlagen auf die Begünstigten hernieder. Das Materielle tröstete mich immer über alle Unannehmlichkeiten, das heißt, über jede Weihnachtsmelancholi e hinweg.
Mit meiner Frau hatten wir uns auf alle Situationen eingerichtet: Wann Weihnachten ist, bestimmen wir! Wenn noch kurz vor den Festtagen ausgelaufen werden sollte, haben wir das Fest einfach vorverlegt. Zumindest den für unsere Kinder materiellen Teil, das Geschenke- verteilen. In anderen Familien wird das auch so oder so ähnlich gehandhabt geworden sein.

Wenn absehbar war, dass das Schiff Weihnachten auf See oder in irgendeinem ausländischen Hafen sein würde, lieferte die Schiffsversorgung die bestellten Weihnachtsbäume auch schon im November oder gar im Oktober. Es war in der DSR Brauch, vier Weihnachtstannen mitzunehmen. Zwei für beide Messen, eine dritte war für den Mast vorgesehen. Der vierte Baum war als Reserve und wurde bereitgehalten für den Fall, dass man unterwegs einen heimischen Dampfer traf, dessen Reise sich außerplanmäßig so verlängert hatte und er keinen Weihnachtsbaum an Bord hatte. Dem wurde das vierte Exemplar als Freundschaftsgabe, als Gruß aus der Heimat, als Geschenk übereignet.
Eine meine schönsten Weihnachtsfeiern war 1969 auf der „Thale“ auf Heimreise aus Brasilien. Eine traumhafte stille Tropennacht, kein Schiffsverkehr, spiegelglatte See. Das Kreuz des Südens und das Leuchtfeuer von Fernando de Noronha achteraus. Die wachfreie Besatzung war auf dem Achterdeck versammelt. Bootsmann „Bummi“ machte den Weihnachtsmann. Trotz tropischer Temperatur Filzstiefel an den Füßen, mit Schafsfellmantel (Wachgänger), Bart aus Werg und selbst gebastelter roter Mütze verströmte er Fröhlichkeit und verteilte originelle Geschenke.
Ein Ur-Sachse bekam ein eigens für ihn an Bord gefertigtes
„ Deutsch-Sächsisches Wörterbuch“.
Genau: deutsch=sächsisch/ sächsisch=deutsch.
Darin war folgendes nachzuschlagen: Sächs. Gagge = dt. Kacke, Scheiße
Ditschen = tauchen,eintauchen
Bemme =Stulle, Scheibe Brot.
Bohlen = poln. Staatsbürger/ dicke Bretter
Um nur einige Beispiele zu benennen.
Für „Nuh“ und „Escha“ waren ebenfalls die analogen „deutschen“ Bezeichnungen angegeben. Die sind mir allerdings und leider entfallen.
In unserer Mitte lag ein richtiger Schneeberg und darin stand ein wirklich echter Schneemann. Schnee und Schneemann und sogar ein paar Schneebälle hatten ein paar Matrosen aus dem ersten Schnee, der vor Auslaufen in Rostock gefallen war, angefertigt und in der Gefrierlast zwischengelagert. Mit diesen Grüßen wollten wir unsere brasilianischen Geschäftspartner (Agent, Stauer), die noch nie Schnee gesehen hatten, überraschen. Das war uns gelungen. Sie waren beeindruckt und holten sogar ihre Familien zur Besichtigung dieser Sensation. Während wir uns nun auf Heimatkurs einer wirklich fröhlichen Weihnacht hingaben, wurde der Schneemann in unserer Runde kleiner und kleiner und schmolz in dieser tropischen Heiligen Nacht dahin.
Nicht nur die Art der Weihnachtsfeiern konnte sich voneinander unterscheiden. Auch die Weihnachtsbäume sahen nicht immer gleich aus. An ganz hässlichen Krücken füllte man kahle Stellen mit zusätzlichen Ästen und verwandelte sie in Prachtexemplare. Überzählige Äste an einigen Stellen setzte man einfach um, indem man Löcher in den Stamm bohrte und diese abgeschnittenen Äste an anderer Stelle einfügte. Es kam auch schon vor, dass man aus zwei Bäumen einen machte.
Meinen originellsten und wohl auch schönsten Weihnachtsbaum habe ich etwa 1978 oder 1979 auf MS BERLIN erlebt. Das war auf einer dieser langen Reise, als sich Bootsmann und Kabelgeist an der Herrichtung der Bäume heranmachen wollten. Kaum standen sie an Deck, kamen Zweifel. Sie waren wohl weit ab von den agrotechnisch optimalen Terminen, also viel zu früh geschlagen worden. Zur Qualitätskontrolle stuckte der Kabelgeist einen Baum mit dem Stumpf kurz aufs Deck. Unfassbar – alle Nadeln waren ab. Fast alle. Nach mehrmaligen kurzen Stupsern standen die Bäume nackt – kahl und braun. Alle Nadeln lagen an Deck. Was nun? VM „Max“ (Holger Altmann mit bürgerlichem Namen), nahm sich eine Farbspritzpistole und besprühte alle Bäume, Ast für Ast, mit Vinoflex Grün. Die trocknet sofort, wie man ja wohl noch weiß, und die satt aufgetragene grüne Farbe mit den üppigen Rotznasen zauberte in Sekundenschnelle einen außergewöhnlich schönen, grünen und einmaligen Weihnachtsbaum.
Selbstverständlich hatte ich auch schon vor 1957 Weihnachten an Bord erlebt. Auf einem Minenräumboot in Peenemünde. Damals waren wir jung und ungebunden. Da gab es einfach keinen Platz für Weihnachtsmelancholi e. Uns interessierte nur, ob unserem Smut in seiner Kombüse der Festtagsbraten gelingt und ob und wann es wieder Landgang gibt.

Und was war nun eigentlich das schönste an der Seefahrt?
Der Heimathafen!
To Hus is to Hus!
In diesem Sinne auch für dieses Jahr: Frohe Weihnachten!

Lothar Borbe
Georg-Büchner-Straße 1
18055 Rostock
03 81-1 20 86 12
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