Blondie
|
Re:Weihnachtsgeschichte - 02/12/2012 10:18
Das erste Weihnachten auf See vergisst wahrscheinlich kaum ein Seemann, meines war 1976 auf der MS "Blankenstein" von Happag Lloyd. Ich war Mot.Helfer oder einfacher Reiniger. Zum Glück hatte ich bereits 6 Monate Erfahrung mit meinen Kollegen und kannte die meisten recht gut. Wir hatten schon zwei Turns Europa/ Zentralamerika hinter uns und ich war schon gut eingeführt. Und nun Weihnachten. Heiligabend brauchten wir tatsächlich einmal nur bis um 12:00Uhr in die Maschine und danach war Kammerstunde angesagt. Inklusive Vorglühen. Da der Storekeeper die ganze Zeit seine Runden machte, in jeder Kammer nach dem Rechten schaute und natürlich überall erst mal ein Bier und einen Kurzen bekam, war es kein Wunder, dass er einer der Ersten war, der dem Absturz noch vor dem Abendbrot nahe kam. Steward und Stewardessen schmückten derweil auf etwas einfache Weise die Messen, wobei in der Offiziersmesse der Weihnachtsbaum stand. Fast kahl, da er bereits seit zwei Monaten im Kühlraum gelagert hatte, dafür aber mit Liebe und wenn ich mich recht erinnere, sogar mit Klopapier geschmückt. Es kann aber auch sein, dass wir ihn erst abends umdekoriert haben. An diesem Abend durften tatsächlich auch einmal die Mannschaftsdienstgra
de im Heiligtum der Offiziere essen und anschließend die Weihnachtsfeier abhalten. das wurde schon ganz schön eng und ich sah ein paar der Offiziere wirklich zum ersten Mal, vor allem aber die zwei mitreisenden Ehefrauen. Von der Stadt Blankenstein bekamen wir sagenhafte zwei Klappfahrräder geschenkt die den ganzen Abend für Unterhaltung sorgten, von denen wir uns aber auch fragten, wer auf das schmale Brett gekommen war, so etwas auf ein konventionelles Frachtschiff (Container gabs dergestalt noch nicht) zu schicken. Der Höhepunkt an Heiligabend sollte aber die Übertragung der Grüße aus dem Heimathafen werden. Durch die Zeitverschiebung erst gegen Mitternacht. Da waren alle schon so blau, dass wohl nur der Kapitän und der Funker etwas davon mitbekamen. Trotzdem flossen bei einigen Kollegen, meist bei denen wo man es nie gedacht hätte, reichlich Tränen. Das waren meist die verheirateten, wohingegen die Junggesellen sich lieber dem Trunk ergaben. Solange die Personalstärke, auf der Blankenstein 56 Mann, so groß war, lief eigentlich alle Jahre Weihnachten so ab. Erst später, mit den Containern, wurden wir mit dem Saufen etwas vorsichtiger. Da bleibt mir heute nur noch für dieses jahr allen aktiven und inaktiven Seeleuten eine frohe Weihnacht zu wünschen. Ich bin inzwischen seit 20 Jahren an Land und rühre auch schon so lange keinen Alkohol mehr an. Weihnachten ist dadurch wesentlich schöner geworden.
|