Liebe Gäste aus der Steiermark waren bei uns in Marzahn auf Urlaub, Markus, 10 Jahre alt und sein Papa Erich. Sie beide hatten noch nie das Meer gesehen. Deshalb planten wir...
... einen "Ausflug ans Blaue" nach Rostock. Dabei kam ich auf die Idee, sie dort auf das Typ-IV Schiff zu entführen. Nach einer Anfrage beim Rostocker Seeleute-Verein, ob man dort eine Privatführung bekommen könnte, meldeten sich Reinhard Lachs und Kapitän Ziegert. Beide waren sofort begeistert von dieser Idee. Gleich bei der Begrüßung auf dem Parkplatz hatte meine Doris ein Anliegen: Heute ist der 1. April, bitte kein Seemannsgarn! Reinhard lachte: Aber nein! Das würden wir niemals nie tun! Verzückt lächelte er mir zu und froh gelaunt gingen wir an Bord des ehemaligen MS Dresden. Seit 1970 liegt sie umbenannt zum Traditionsschiff Typ Frieden an ihrem ständigen Liegeplatz in Rostock-Schmarl.
Bereits an der Funkerkabine eröffnete Reinhard sein Seemannslatein. Die Koje mist nur 1,50 m in der Länge. Deshalb mussten sich aufsteigende Funker an der Gangway einem ersten Test unterziehen. Wenn sie größer als 1,50 m waren, konnten sie gleich wieder absteigen. Auf der Brücke machte Doris den großen Fehler und stellte eine Frage: Warum hat man den Fußboden schief eingebaut? Damit das Wasser besser abläuft, bekam sie von Reinhard zur Antwort. Als ob Kapitän Ziegert darauf gewartet hätte, setzte er dem noch einen drauf: Wir haben keine Fracht an Bord. Die Maschinenanlage ist sehr schwer und liegt achtern. Wir sind hecklastig! Der Bug schaut etwas mehr aus dem Wasser, als das Heck. Doris lachte: Ihr wollt mich veralbern! Nein, nein! Nachher beim Absteigen kannst du das nachprüfen. An der Wasserlinie sind vorn und achtern Zahlen angebracht! Einmal Feuer gefangen, ging es auf der Back fröhlich weiter: Vorn am Mast sehen wir das Typhon. Die Schiffe wurden jeweils mit zweien davon ausgerüstet – ein dickes für dicken Nebel und ein dünnes für dünnen Nebel. Es war einfach wunderbar, mal wieder so etwas Schönes zu hören! Ich ließ mir das Kabelgatt zeigen und wurde tausendfach belohnt. Überall auf dem Schiff hat man in den vielen Jahren nach Außerdienststellung irgendetwas abgebaut. Im Kabelgatt schien die Zeit stehen geblieben zu sein, so, als ob Kabelede gerade Feierabend gemacht hätte. Reinhard erklärte uns noch, dass es unter der Back einen steilen engen Abstieg in den Kielraum gab. Dort wohnte auch das Kielschwein. Nur beherzte und sehr schmale Matrosen konnten da hinabsteigen. Reinhard lächelte und Doris rauchte der Kopf! Aber auch für die moderne Seefahrt gab es Neues zu entdecken. Das Traditionsschiff ist das erste Schiff mit einem Aufzug für Rollstuhlfahrer – bis hinauf an Deck! In der Kombüse wurde gerade das Frühstück vorbereitet: Spiegelei, Schrippe und ein Hafenbräu! Ein Blick in die Mannschaftskammern verriet uns, dass wir Stehlampen mit an Bord hatten! Beim Doktor gab es noch einmal eine schöne Geschichte. Die Schiffe waren über viele Monate, meist Richtung Asien unterwegs. So kam es auch, dass sich Stewardessen beim Doktor mit Blähungen meldeten. Zurück kamen sie mit einem Baby im Arm. Kapitän Ziegert war als Hebamme mit dabei! Auf Achterstation erklärte Reinhard, dass es damals keine Fuhlbrass gab. Im Hafen wurden für die Abfälle Leinensäcke aufgehängt. Kaum draußen auf See zog man unten den Tampen! Im Maschinenraum blühte Reinhard noch einmal richtig auf. Bald besser als ein Chief erklärte er am Fahrstand die Funktionsweise der einzelnen Maschinen. Besonders von ihm geliebt – sein Maschinentelegraf. Es gab Kapitäne, welche sich wenig für die Maschine interessierten. So glaubten manche von ihnen, der Telegraf wäre direkt mit der Maschine verbunden. So wurden wild Manöver gelegt, ohne dass die Maschinisten die Befehle überhaupt umsetzen konnten. Heutzutage mag das mit Verstellpropelleranlage und Bugstrahlruder kein Problem mehr sein. Mal kein Seemannslatein! Ob’s Doris geglaubt hatte? Meinen beiden Männern aus der Steiermark hat der Rundgang an Bord riesigen Spaß gemacht. Markus durfte Kapitän sein und Erich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wir danken Reinhard Lachs und Kapitän Ziegert für die so ausgezeichnete Reise in das ehemalige Seemannsleben.
» 1 Kommentar
1Kommentar am Thursday, 19. April 2012 00:33
Mensch, Jochen, herrlich, . . . da warste ja wieder mal in Deinem Element . . . un denn ooch noch Landratten ins Seemannsgarn einwickeln, dit hat Dir Spaß jemacht, dit gloobick . . .
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